$ 33. Die Enteignung; Voraussetzungen und Verfahren. 5
der Grundrechte ihrer ausdrücklich zu gedenken, um hervor-
zuheben, daß sie nur nach Maßgabe des Gesetzes geschehen könne®.
Wenn sie demnach stets einer gesetzlichen Grundlage
bedarf, so wird diese ordentlicherweise und im Sinne des Rechts-
staates dadurch geliefert werden, daß das Gesetz rechtssatz-
mäßig bestimmt, wann die Enteignung stattfinden soll, und dann
auf Grund dieses Rechtssatzes die vollziehende Gewalt, die Ver-
waltung und ihre Behörde, im Einzelfalle die Enteignung durch-
führt. Vgl. oben Bd. I S. 59 ff.
Gültig ist es natürlich auch, wenn statt dessen das Gesetz von
freien Stücken im Einzelfalle selbst zugreift und eine Enteignung
ausspricht. Das Gesetz, d. h. der in Form des Gesetzes erscheinende
Staatswille, kann rechtlich alles; nur eben unser Rechtsinstitut ist
das nicht ?,
Davon ist zu unterscheiden, wenn etwa das Enteignungsgesetz
bei seiner rechtssatzmäßigen Regelung der Sache für den Ausspruch
im Einzelfalle ein besonderes Gesetz, einen gesetzlichen Einzelakt,
verlangt. Das ist dann sachlich auch nichts anderes wie ein Ver-
waltungsakt und bewegt sich im Rahmen unseres Enteignungs-
Institutes, gemäß dem hier weiter Vorzutragenden®.
Die rechtssatzmäßige Regelung kann freilich hier nie so weit
gehen, daß im Einzelfalle nur das Gesetz anzuwenden wäre, wie das
bei der Steuererhebung oder bei der strafrechtlichen Einziehung
der Fall ist. Es gehört zum Wesen der Enteignung, daß sie in ge-
wissem Maße frei und beweglich bleibe, um im Einzelfalle zu finden,
was der Lebendigkeit des öffentlichen Unternehmens entspricht.
a
° Bayr. V.U. Tit.4 $ 8; Bad. V.U. $ 14; Württ. V.U. $ 30; Sächs. V.U. $ 31;
Preuß. V.U. Art. 9. Vgl. Bd. IS. 7ıf.
' Gierke, D.P.R. 1I S. 475 Note 44, sagt von diesem Falle: „Natürlich
kann dasselbe Gesetz, das den Enteignungsfall feststellt, zugleich erst den grund-
legenden Rechtssatz schaffen“. Tatsächlich tut es das nie. Der Rechtssatz soll
ihm lediglich der Gleichförmigkeit halber aufinterpretiert werden. Da es eines
solchen nicht bedarf, so ist das eine unnötige Gewaltsamkeit.
' * Franz. Ges. v. 13. Mai 1841 art. 3; Hamb. Ges. v. 14. Juli 1879; Brem.
Verord, v. 14. Juni 1843. Fleiner in Festg. f. Laband II S. 23. Über den
Verwaltungsakt in Gesetzesform vgl. Bd. I S. 12. Auch hier kann es dann aller-
dings geschehen, daß das Gesetz, das diesen Verwaltungsakt geben soll, aus der
Rolle fällt und sich auf seine Allmacht besinnt, um unter Durchbrechung der Be-
sümmungen des allgemeinen Enteignungsgesetzes für diesen Fall frei zu bestimmen,
ws es will. Insofern ist bier, wie v. Rohland, Ent.R. S. 26, bemerkt, „der
Schutz gegen einen Mißbrauch des Enteignungsrechtes problematisch“ oder, wie
"ir wohl richtiger sagen würden: die Herrschaft des Rechtssatzes über die Ent-
eigaung im Einzelfall iet hier nicht unbedingt gesichert.