6 Das öffentliche Sachenrecht.
Das Gesetz wird also der Verwaltung hier immer einen gewissen
Spielraum lassen müssen, den diese mit freiem Ermessen aus-
füllt®. Den Forderungen des Rechtsstaates entspricht es, daß dieser
Spielraum möglichst eingeschränkt werde durch Voraussetzungen
und Grenzen, die für den Eingriff aufgestellt sind, und durch Formen
des Verfahrens, welche dabei beobachtet werden sollen; vgl. oben
Bd. 185, II. |
Den Forderungen des Rechtsstaates entspricht es weiter, daß der
Eingriff auch hier sich dann nicht vollziehe durch die einfache Tat
der Wegnahme des Grundstückes, dessen das öffentliche Unternehmen
bedarf, sondern daß sich zwischen den grundlegenden Rechtssatz
und diese Tat der obrigkeitliche Akt einschiebe, der bestimmt, daß
das für den Betroffenen so Rechtens sein soll. Beim Enteignungs-
institut, das sich auf den Rechtserfolg des Eigentumswechsels an
dem Grundstücke richtet, bedeutet das, daß dieser Erfolg im Einzel-
falle hervorzubringen ist durch einen Verwaltungsakt ent-
sprechenden Inhalts. Und zwar wird das unter den gegebenen Um-
ständen ein mit freiem Ermessen zu erlassender Verwaltungsakt
sein, eine Verfügung in dem besonderen Sinne, der sich mit
diesem Worte verbindet !,
2. Wie die Dinge sich ordentlicherweise sonst entwickeln,
erläßt jede Behörde die für ihren Verwaltungszweig er-
forderlichen obrigkeitlichen Anordnungen: sie stellt ihre Unter-
beamten an, erhebt Gebühren, erläßt Polizeibefehle und Veran-
lagungen, gewährt Erlaubnisse und Erleichterungen. Dement-
sprechend macht sie auch die Anschaffung der Sachen, deren ihr
Betrieb bedarf, und sollte sie eigentlich auch die Grundstücke,
welche sie nicht durch freihändigen Kauf erwerben kann,. durch
Vornahme der Enteignung an sich bringen. Sie müßte enteignen.
Militärbehörde, Justizbehörde, Straßenbehörde, Schulbehörde usw.,
® Die Enteignung bleibt immer, wie Prazak, R.d. Ent. S. 18, es ausdrückt,
„jene Funktion der Verwaltung, kraft welcher diese im Grunde freien Ent-
schlusses ein Recht aufhebt oder beschränkt“. — Wir werden sehen, wie im
Laufe des Verfahrens dieser Spielraum künstlich sich enger zusammendrängt, s0
daß schließlich nur noch eine gebundene Entscheidung übrig bleibt; vgl. unten
nn n. 2. Wir sprechen hier zunächst von der Enteignung als noch ungeteiltem
anzen.
1° Vgl. oben Bd.I $ 9, II n.2. — Durch eine besondere Veranstaltung der
Gesetze pflegt dieser Verwaltungsakt auseinandergezogen zu sein in zwei zeitlich
getrennte Vorgänge, denen auch getrennte Zuständigkeiten entsprechen; vgl. hier
matan n. 38. Wir fassen zunächst einmal beides zusammen in seiner sachlichen
inheit,