$ 33. Die Enteignung; Voraussetzungen und Verfahren. 9
Vor allem aber entspricht es nicht der Wirklichkeit, wenn die
Enteignung als ein Verfahren betrachtet wird, in welchem dem
Unternehmer ein obrigkeitlicher Rechtsschutz zu. Teil wird
nach der Art, wie der Kläger ein ihm günstiges Urteil, der Bau-
lustige die gesicherte Polizeierlaubnis erwirken kann'®, Das Ur-
bild des betreibenden Unternehmers im Enteignungsverfahren ist
nicht der einfache Privatmann, und der Staat, der als Unternehmer
Anträge auf Enteignung stellt, steigt nicht auf die Stufe eines
solchen herab und handelt als Fiskus, der Aktiengesellschaft gleich,
die solches tut; sondern umgekehrt: die Gemeinde wie die Aktien-
gesellschaft, welche für ihr Unternehmen die Enteignung betreiben
dürfen, sind auf die Stufe des Staates emporgehoben, handeln hier
als Träger öffentlicher Verwaltung; denn ihr Unternehmen muß
ein öffentliches sein, das ist die Voraussetzung.
Die Einsetzung besonderer Enteignungsbehörden samt ihrem
geordneten Verfahren bedeutet vielmehr ein Rechtsschutzmittel für
die Gegenseite, für den zu Enteignenden: er soll einer
kühleren, unparteiischeren Beurteilung gegenübergestellt werden,
als der Tatendrang des unmittelbaren Vertreters des öffentlichen
Unternehmens ihm gewähren könnte.
Für dieses Stück öffentlicher Verwaltung, das das Unternehmen
vorstellt, handeln sie beide, der Unternehmer wie die Behörden
des Enteignungsverfahrens, um gemeinsam den zur Enteignung
erforderlichen Willensentschluß der öffentlichen Gewalt hervorzu-
1878 Art. 8 Ziff. 10 sollte ursprünglich nur die Rechtsfrage betreffen, ob das Unter-
nehmen in die Klasse der vom Gesetz als enteignungsfähig anerkannten gehört
(Mot. in Verh. d. Kom. d. Abg. 1877/78 Beil.Bd. III S. 16); jetzt ist aber der
ganze Fall umfaßt, „einschließlich der Frage, ob das betreffende Unternehmen vom
gemeinen Nutzen erfordert werde usw.“ (Dyroff, Kom. Anm. 1; vgl. Bd. 1 $ 13
Note 8). — Sehr klar Goez, Württ. V.R.Pf. S. 457: Indem der Verwaltungs-
gerichtahof mit dem ganzen Ausspruch der Enteignungsbehörde „einschließlich der
Ermessensfragen“ befaßt werden kann, ist ihm „eine besondere, außerhalb seiner
regelmäßigen Funktion liegende Funktion übertragen“.
, ” Man hat diesen Gedanken sogar dahin zugespitzt, daß man sich die Mög-
lichkeit, welche dem Unternehmer gegeben ist, auf dem Wege der Enteignung
das Eigentum des andern zu erwerben, geradezu als einen Rechtsanspruch
für ihn vorstellt, als den Enteignungsanspruch, zu dessen Anerkennung
und Verwirklichung das Verfahren dienen soll: Seydel, Bayr. St.R. II S. 365
Note 16, und vor allem Layer, Ent.R. S. 320 ff. Da wird denn auch der Be-
schluß der Enteignungsbehörde zu einer Entscheidung über diesen, zu einem
Rechtsprechungsakt, und alle Voraussetzungen dafür bekommen rückwärts die
Natur von Rechtsfragen. Aber der ganze Rechtsanspruch beruht auf Täuschung;
vgl. unten Note 32,