Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 37. Der Gemeingebrauch. 163 
Dieser sogenannte Vertrag soll auf Bestellung eines dinglichen 
Rechts an der Straße gehen, einer Grunddienstbarkeit oder, da es 
einerichtige Grunddienstbarkeit nicht ist, von irgend etwas Ähnlichem. 
Was es eigentlich ist, darüber besteht Unsicherheit **, 
wofür das übliche Verfahren keine Garantie gibt. Vgl. Reinartz in Verw.Arch. 
VHS. 115: „Die überzeugende, vom Reichsgericht stets festgehaltene genetische 
Entwicklung des Anliegervertrags nötigt geradezu, die Bauerlaubnis des Gemeinde- 
vorstandes für den Anbau an eine Straße, also für die Innehaltung der Bauflucht- 
linie usw. als einzig möglich zu betrachten.“ Der wäre aber ja zu solchem 
Vertragsschluß nicht von selbst zuständig. 
Das Schlimmste brachte aber auch hier wieder das B.G.B. mit seinen un- 
erschwinglichen Forderungen: Die gewünschten Dienstbarkeiten könnten ja fortan 
nur noch unter Einhaltung der Formen des $ 873 B.G.B., also durch Eintragung ins 
Grundbuch entstehen. So richtig Germershausen, Preuß. Wegerecht I S. 111, 
welcher der Eintragung dadurch zu entgehen glaubt, daß er kein eigentliches 
Anliegerrecht, sondern eine bloße „Beschränkung des Eigentums“ an der Straße 
annehmen will. Man hat auch versucht, die Bestellung der Anliegerdienstbarkeit 
unter den Vorbehalt des Art. 113 E.G. z. B.G.B. zu retten als „Wegeregulierung“ 
(Loebell in Gruchot Beitr. XLI S. 51). Eines doch wohl so vergeblich als das 
andere. Das Reichsgericht möchte dadurch helfen, daß es das sonst immer als 
privatrechtlicher Vertrag gedachte Rechtsgeschäft jetzt feierlich für „dem Öffent- 
lichen Recht unterstellt“ erklärt, so daß nicht mehr „die Formen des Privatrechts, 
sondern die des öffentlichen Rechts, die dem Vorgang seine Bedeutung verleihen, 
maßgebend sind“; diese „gehören dem Landesrecht an und werden von den Vor- 
schriften des B.G.B. nicht berührt“: R.G. 2. Dez. 1908 (Entsch. LXX 8.81). Das 
ist wieder nichts als eine der bekannten Zwangstaufen, durch welche die Logik 
des Rechts sich nicht täuschen läßt: die Stadt hat nach der Auffassung des Reichs- 
gerichts privatrechtliches Eigentum an ihrer Straße; sie verfügt darüber, um zu- 
gunsten des Anliegers eine privatrechtliche Grunddienstbarkeit oder sonst etwas 
Privatrechtliches zu bestellen, und tut das durch einen Vertrag, von dem uns 
schlechterdings nicht gesagt wird, warum er nun auf einmal öffentlichrechtlich 
heißen soll — so können wir mit den Dingen nicht umspringen! 
*“ Man nennt es eine „Grunddienstbarkeit“, ein „privates Dienstbarkeits- 
recht“, ein „Dienstbarkeitsverhältnis“: R.G. 18. April 1899 (Entsch. XLIV S. 282), 
6. Okt. 1899 (Entsch. XLIV S. 925), 25. April 1905 (Eger, Eisenb.Entsch. XXII 
3. 158), 4. Okt. 1907 (Eger, Eisenb.Entsch. XXVI S. 3). Oder ein „servitutarisches 
Recht“: R.G. 16. Okt. 1900 (Gruchot Beitr. 1901 8. 78), 21. Jan. 1902 (Eger, 
Eisenb.Entsch. XIX S. 28), 3. Nov. 1903 (Entsch. LVI S. 101), 7. Dez. 1907 (Eger, 
Eisenb.Entsch. XXIV S. 873), 19. Nov. 1909 (Eger, Eisenb.Entsch. XXVIS. 811). 
Oder ein „grunddienstbarkeitähnliches Recht“, ein „servitutähnliches. Recht“: 
RG, 28. Nov. 1905 (Eger, Eisenb.Entsch. XXII S. 298), 16. Dez. 1908 (Eger, 
EisenbEntsch, XXV S. 321. — R.G. 2. Dez. 1908 (Entsch. LXX 8. 77) gibt zu, 
daß das in früheren Entscheidungen „konstruierte Anliegerrecht“ dort zwar „als 
ein Servitutisches oder servitutarisches Recht bezeichnet ist“; es sei aber „keines- 
wegs in allen Beziehungen als Grundgerechtigkeit behandelt worden“. Der Haupt- 
ton liege auf der „privatrechtlichen Natur des durch den Anbau an der Straße 
entstandenen, dem Vermögensrechte angehörigen Nutzungsrechts“. Was es eigent- 
lich ist, scheint dahingestellt zu bleiben. * 
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