S 38. Die Gebrauchserlaubnis. 175
Die Erlaubnis für einen Verein, den Festungsgraben zur Schlitt-
schuhbahn zu benutzen, gehört hierher. Ebenso die Erlaubnis an den
Nachbar der Eisenbahn, den kürzeren Weg über den Bahnkörper
weg zu nehmen. Die städtischen Straßen mit ihrem reichen Leben
weisen zahlreiche Erscheinungen derart auf: Zeitungskioske, Soda-
wasserbuden, Back warenstände zieren sie auf Grund solch besonderer
Gebrauchserlaubnis. Wo der Bürgersteig breit genug ist, erhält
wohl auch der Bierwirt die Vergünstigung, Tische und Stühle dort
aufzustellen und Gäste zu empfangen.
Alles selbstverständlich ganz frei erteilt und frei wider-
rufen 12,
1% In der Stadt Leipzig gehört es nicht mehr zum Gemeingebrauch, daß man
vor seinem Hause das Brennholz klein machen lasse. Nach $ 9 der Verkehrs-
ordnung kann es im Einzelfalle vom Rate gestattet werden. — 0.V.G. 3. Nov. 1905
(Entsch, XLVIII S. 113): Aufstellung von Baugerüsten, Lagerung von Bau-
materialien können durch Polizeigenehmigung im Einzelfalle auf der Straße zu-
gelassen werden. Das Gericht möchte freilich ein zivilrechtliches Verhältnis
daraus machen und deckt diese Anschauung durch die Wendung: der Erlaubnis-
träger benutze nicht „die Straße als Verkehrsanstalt“, sondern das „Straßen-
gelände“, wovon die Gemeinde Eigentümerin ist. Gleichwohl bedarf er der Polizei-
genehmigung wegen der „Verkehrsinteressen“. Die Auffassung ist gänzlich un-
wahr und verkünstelt und nur erklärlich, weil man einen privatrechtlichen
Vergütungsanspruch rechtfertigen möchte; vgl. dazu noch unten Note 17. R.G.
2. Nov. 1905 (Entsch. LXII S. 87) handelt von einem „Erfrischungszelt“, das mit
Erlaubnis der Stadt auf dem Bürgersteige von einer Bierbrauerei aufgestellt
worden war. Der Nachbar klagt gegen die Stadt auf Grund des reichsgerichtlichen
„grunddienstbarkeitsähnlichen Rechts“ des Anliegers (vgl. oben $ 37 Noten 43 u.44);
davon ist nicht mehr zu reden. Das Gericht stellt aber außerdem in diesem Falle
fest, daß jene Genehmigung zulässig sei, auch wenn dadurch der Straßeneigen-
tümer seine Straße zu „rein privatwirtschaftlichen Zwecken“ ausnützt — es müßte
sich also hier um seine privatwirtschaftlichen Zwecke handeln! —, läßt es im
übrigen ununtersucht, „ob in Großstädten die Benutzung zur Aufstellung von Er-
frischungszelten nicht auch einen Zweck der Straße bildet“ — was doch vernünf-
tigerweise nicht vom Gericht, sondern von der genehmigenden Verwaltung zu ent-
scheiden wäre. Aber auf der hartnäckig festgehaltenen privatrechtlichen Grundlage
wird eben auch die Auffassung von der Gebrauchserlaubnis ganz und gar schief. —
Solche Benutzungen des Raumes auf oder über der Straße finden häufig auch ohne
Erlaubnis, rein tatsächlicherweise statt und können sich dann auf eine Duldung
der Polizeibehörden berufen, die eine Bestrafung nach Stf.G.B. $ 366 Ziff. 9 aus-
schließt, einer Beseitigung im Zwangswege aber stets gewärtig sein muß. Ersitzung
gibt es nicht. Aber natürlich werden solche Fälle wieder mit großer Unsicherheit
behandel. Germershausen, Preuß. Wegerecht I S. 91 u. 92, rechnet mit der
Möglichkeit einer stillschweigenden Genehmigung der Polizeibehörde, die aus lang-
Jähriger Duldung geschlossen werden könnte. O.V.G. 4. Mai 1899 (Entsch. XXX VI
S. 249): Eine Synagogengemeinde hat einen Draht oberhalb der Straße gespannt
(symbolische Stadtmauer). Die Wegepolizei verlangt Entfernung. Das Gericht