Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 40. Auferlegte öffentlichrechtliche Dienstbarkeiten. 209 
Zu unmittelbarer Anwendung kommt unser Rechtsinstitut 
vor allem: 
— für die Herstellungsarbeiten eines dem öffentlichen Wohle 
dienenden Unternehmens in Gestalt vonallerlei vorübergehenden 
Benutzungen, deren Duldung dem Grundstück auferlegt wird; 
— für neuanzulegende Ortsstraßen in Gestalt von Bau- 
verboten, die auf das künftige Straßengelände oder auch auf 
die anliegenden Grundstücke gelegt werden; 
— für schiffbare Flüsse als Leinpfadgerechtigkeit; 
— für Festungswerke als reichsgesetzliche Rayonservitut. 
I. Während für die Entstehung einer Dienstbarkeit der 
öffentlichen Sache die Art, wie die rechtliche Belastung des Grund- 
eigentums zustande kommt, gleichgültig ist: Schenkung, kauf- 
mäßige Einigung, Tausch, Vergleich, Enteignung, ist bei der auf- 
erlegten Dienstbarkeit, wie das Wort schon sagt, stets ein einseitiger 
obrigkeitlicher Willensakt in Frage. Sie beginnt mit einem Eingriff 
in das Privateigentum, der als solcher nach bekannten Regeln 
einer gesetzlichen Grundlage bedarf®. 
Diese kann in der Weise geliefert werden, daß das Gesetz 
selbst den Eingriff macht, die Dienstbarkeit auferlegt. Das könnte 
es tun im Einzelfall, durch gesetzlichen Einzelakt; diese Möglich- 
keit besteht ja immer. Wir sehen davon ab. Die dem Gesetze 
angemessene ordentliche Art besteht darin, daß es rechtssatz- 
mäßig die Dienstbarkeit auferlegt. Sie entsteht dann unmittelbar 
aus dem Gesetz mit Erfüllung seines Tatbestandes”. 
° Ein Ersatz durch freiwillige Unterwerfung unter einen auferlegenden Ver- 
waltungsakt, „öffentlichrechtlichen Vertrag“, dürfte hier nicht zulässig sein (vgl. 
oben Bd. I S. 101 u. Note 18 ebenda). Das Gesetz behält die möglichen Belastungen 
des Grundeigentums auch hier in seiner Hand, wie im bürgerlichen Recht. 
’ So bei der Leinpfadgerechtigkeit und bei der Rayonservitut. 
Bezüglich der letzteren bestimmt Rayonges. v. 21. Dez. 1871 $ 8, daß die Gürtel 
amtlich abgesteckt und ausgesteint werden sollen: „Von diesem Zeitpunkt an 
treten die gesetzlichen Beschränkungen in der Benutzung des Grundeigentums in 
Wirksamkeit“. G. Me yer-Dochow, Verw.R. S. 606, bemerkt: „die Setzung 
der Rayonsteine hat den Charakter einer Verwaltungsverfügung, durch welche .... 
verboten wird, usw.“ Unter Verfügung wird ein „Befehl der höheren Verwaltungs- 
organe“, und zwar eine „Anordnung für konkrete Angelegenheiten“ verstanden 
(a. a. 0. S. 30), also was wir einen Verwaltungsakt nennen. Die Aussteinung ist 
aber kein Verwaltungsakt, sondern nur die Sichtbarmachung des vom gesetzlichen 
Rechtssatz gewollten Umfangs der Belastung. Was wirkt, ist dieser gesetzliche 
Rechtssatz und die Aussteinung nur die Bedingung des Eintritts seiner Wirkung. 
Sie ist kein Verwaltungsakt, sondern eine bloße Mahnung und Erinnerung, ähnlich 
wie die, welche im Polizeistrafrecht die Strafbarkeit bedingen (vgl. oben Bd. I 
Binding, Handbuch. VI.2: Otto Mayer, Verwaltungsrecht. IT. 2. Aufl. 14
	        
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