8 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung. 223
Die Öffentlichrechtliche stellt nicht die Eigentümer einander
gegenüber, sondern den Eigentümer und die Öffentliche Gewalt und
hat zur Grundlage den Gedanken, daß die geforderte Kraft der
Verwirklichung der Staatszwecke unzulässigerweise be-
einträchtigt würde, wenn vor jeder dabei sich ergebenden Ein-
wirkung auf das Grundeigentum halt gemacht werden müßte, um
erst-einen der formalen Forderung der Heiligkeit des Eigentums
‚entsprechenden Rechtstitel zu beschaffen.
Beide stehen sie demnach vor der Aufgabe, das Maß dessen,
was um dieser allgemeinen Rücksichten willen ertragen und hin-
genommen werden muß, genauer zu bestimmen. Erklärlicherweise
wird das den Notwendigkeiten der öffentlichen Verwaltung gegen-
über viel weiter und reicher sich entfalten als in dem
bescheidenen bürgerlichen Nachbarrecht®.
Diese Bestimmung suchen sie natürlich in erster Linie in aus-
drücklichen Rechtssätzen des Gesetzes. Beide ergänzen das
aber durch ungeschriebenes Recht. Wie bei den Grenzen der per-
sönlichen Freiheit macht sich auch bei den Grenzen der Freiheit
des Eigentums eine allgemeine gesellschaftliche An-
schauung geltend von dem, was notwendig dazu gehört und was
unter Umständen zurückstehen muß®. Diese Anschauung wird
erkennbar aus der jeweiligen Rechtshandhabung der Behörden.
® Für letzteres gibt Ihering, Jahrb. f. Dogm. VI S. 128, die Grenze
folgendermaßen: „Niemand braucht unmittelbare Eingriffe von seiten seines Nach-
barn zu dulden, welche entweder der Person oder Sache schaden oder die
Person in einer das gewöhnliche Maß des Erträglichen überschreitenden
Weise belästigen.“ Für die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung bildet
auch die Schädlichkeit keine unbedingte Grenze. Auf das gewöbnliche „Maß des
Erträglichen“ kommt es auch für sie an. Aber dieses bedarf eben für sie sowohl
wie für die privatrechtliche Eigentumsbeschränkung der näheren Bestimmung,
° Über die Wichtigkeit der allgemeinen Anschauungen von der persönlichen
Freiheit gegenüber der Polizeigewalt vgl. oben Bd.I S. 225 ff. Dernburg, Pand.
18 199 n.2: „Das Recht des Grundeigentums ist nach den nationalen Anschau-
ungen, den jeweiligen Bedürfnissen, den Zeitströmungen von verschiedenem Um-
fang.“ Auch das B.G.B, hat die privatrechtlichen Eigentumsbeschränkungen nicht
„erschöpfend geordnet“; vor allem steht hinter dem von ihm in $ 904 ff. ausdrück-
lich Hervorgehobenen der „Chikaneparagraph“ $ 226 (Planck, Kom. II Einl. zu
Abschn. IU Tit.1 n.4). Gierke, D. Pr.R. II S. 416, bemerkt am Schlusse seiner
etwas allzu reichhaltigen Aufzählung von „öffentlichrechtlichen Beschränkungen
des Eigentumsinhaltes“ richtig: „Schließlich ist, soweit ein notwendiges Öffent-
liches Interesse durchgreift, das Grundeigentum auch solchen Einschränkungen
unterworfen, die nicht besonders vorgesehen sind.“ Die Beispiele aus dem Polizei-
recht, die er allein dafür anruft, gehören allerdings nicht hierher.