$ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung. 299
Betriebe und Einrichtungen, die zur Öffentlichen Verwaltung
gehören, kann der Grundbesitzer sich nicht fernhalten, auch wenn
sie ibm Geräusch, Erschütterung und „Immissionen* bringen, die
bedeutend über das hinausgehen, was man in dieser „Lage“ der Stadt
von seinem Nachbar zu gewärtigen hat'!!.
beabsichtigte Vertiefung unterbleiben müssen, oder eg sei Schadens-
ersatz zu leisten.“ Schadensersatz würden wir wohl gewähren, wenn auch nicht
wegen rechtswidriger Handlung, sondern nach dem bekannten Billigkeitsrecht.
Das Gericht scheint aber auch eine Klage auf Unterlassung für möglich zu halten,
welche die ganze wichtige Tiefkanalisation zum Scheitern gebracht hätte — fiat
justitia, pereat mundus! Den unentbehrlichen Schutz des öffentlichen Unter-
nehmens findet man allerdings nur, wenn man den Boden kennt, auf den es
gehört.
1 Privatunternehmungen gegenüber zieht B.G.B. $ 906 die Grenze
des zu Ertragenden. Auf die Besonderheit gewerblicher Anlagen werden
wir unten Note 32 noch zu sprechen kommen.
Die Behandlung störender öffentlicher Unternehmungen ist wesent-
lich anders. R.G. 6. Juni 1899 (Entsch. XLIV S. 225): In den Militärwerk-
stätten ist ein Maschinenbetrieb eingerichtet, der für den Nachbar übermäßige
„Belästigungen und Übelstände“ mit sich bringen soll; Klage auf Untersagung oder
zeitliche Beschränkung erklärt das Gericht für unzulässig, denn „ein Eingriff in
diesen Betrieb seitens der Gerichte“ würde sich richten „gegen die Ausübung
staatlicher Hoheitsrechte* (S. 226). — R.G. 19. Nov. 1903 (Entsch. LVI S. 25):
Ein Hausbesitzer klagt gegen die evangelische Kirchengemeinde auf Unterlassung
des störenden Glockenläutens. Das O.L.G. verurteilt! Das R.G. weist ab:
„Das Recht mit Glocken zu läuten ist den Kirchen zum Wohle des Gesamtstaates
eingeräumt; zu Beschränkungen sind nur die zur Überwachung und Handhabung
des öffentlichen Rechts bestellten Behörden berufen.“ Die Gerichte könnten
höchstens nur um „Entschädigung wegen Verletzung wohlerworbener Privatrechte“
angerufen werden. (Hierzu sei bemerkt: Das Recht, mit Glocken zu läuten, bat
die Kirche von Anfang an und nicht kraft „Einräumung“ des Staates. Erst seit der
Reformation erscheint ein solches Recht als Widerschein des Satzes cujus regio,
ejus religio. Das bedeutet aber keine verwaltungsrechtliche Befugnis den Unter-
tanen gegenüber. Heute ist das Verhältnis zwischen dem Staat und der Kirche
so geordnet, daß die kirchliche Tätigkeit als rechtlich gleichwertig angesehen wird
mit der staatlichen, d. h. als öffentliche Verwaltung. Die Folge ist jene Wehr-
losigkeit des Privateigeutums gegen das „zum Wohle des Gesamtstaates“ statt-
findende Geläute.) — R.G. 16. April 1910 (Entsch. LXXIII S. 270): Rohrpost-
anlage; Klage des Nachbars auf Unterlassung der Geräusche; kein „staatliches
Hoheitsrecht“, aber „Pflege oberster staatlicher Aufgaben“, also Geltendmachung
der Rechte Dritter zur Lahmlegung unzulässig; nur Entschädigung zu fordern
nach A. L.R. Einl. $ 75.
Dagegen wieder R.G. 20. Febr. 1909 (Entsch. LXX S. 311): Die Gemeinde
will Pumpstation anlegen für Abwässer; Klage der Anlieger auf Untersagung
nach B.G.B. $ 906 wegen übermäßigen Geräusches und Geruchs; zugesprochen,
weil die Gemeinde mit ihrer Anlage, „auch wenn die Anlage dem Wohlfahrts-
interesse diente“, den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, d. h. dem $ 908,