Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung. 231 
Die Militärschießplätze machen sich nicht bloß durch 
das Knallen der Flinten sehr empfindlich fühlbar, sondern dienen 
auch, den besten Schutzvorrichtungen zum Trotz, immer wieder 
dazu, die dahinterliegenden Grundstücke mit verirrten Kugeln zu 
beschicken und tatsächlich zu gewissen Zeiten unbenutzbar zu 
machen. Den ordentlichen Gerichten fällt es sehr schwer, dem 
Privateigentum hier keinen Schutz zu gewähren. Gleichwohl müssen 
sie sich bescheiden. Es handelt sich weder um eine bürgerliche 
Rechtsstreitigkeit, noch um einen rechtswidrigen Eingriff '®. 
lassen muß. Die vermeintliche Polizeiverfügung über den Hochbahnunternehmer 
ging als bloße Beschränkung der Freiheit desselben, welche das Reichsgericht 
daran hervorhebt, den Dritten nichts an; aber sie ist eben in Wirklichkeit viel- 
mehr die Ordnung eines öffentlichen Unternehmens, das als solches Kraft auch 
gegen Dritte hat, und darum liegt die Sache hier anders. 
Richtig O.L.G. Königsberg 19. Jan. 1903 (Eger, Eisenb.Entsch. XX S. 132): 
Klage gegen die Kleinbahn wegen Funkenwurfs; „die Art, in der die Beklagte 
durch den Eisenbahnbetrieb das Eigentumsrecht des Klägers beschränkt, ist ein 
der Enteignung im Erfolg gleichkommender Eingriff in fremdes Eigentum“ ; daher 
Entschädigung nach A. L.R. Einl. $ 75; also, weil er „seine besonderen Rechte 
und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wird“. Deut- 
licher kann die öffentlichrechtliche Natur des Vorgangs nicht gekennzeichnet 
werden. 
18 Die Rechtsprechung hat es an Versuchen nicht fehlen lassen, einen Stand- 
punkt zu finden. Mit der Berufung auf das alte Hoheitsrecht, wie auf die polizei- 
liche Verfügung kommt man natürlich nicht aus. C.C.H. 13. Aug. 1870 (Stölzel. 
Repr. S. 72): Besitzstörungsklage gegen Militärfiskus wegen überfliegender Kugeln 
für zulässig erklärt. Gegen das Hoheitsrecht des Königs, heißt es, richte sich die 
Klage gar nicht, sondern nur gegen die Nachlässigkeit der Militärbehörde bei 
Einrichtung des Schießplatzes; sie solle auch nicht in der Benutzung ihres 
Schießplatzes gehindert werden. sondern in der des Nachbargrundstücks, auf das 
geschossen wird. Polizeiliche Verfügung aber könne nicht in Betracht kommen: 
„Der Gouverneur hat ja gar nicht verfügt, daß Kugeln hinüberfliegen sollen“. 
Das klingt geradezu wie eine Verspottung der üblichen Konstruktionen. — R.G. 
24. Sept. 1889 (Entsch. XXIV S. 36) hat es bloß mit dem Geräusch der Schieß- 
übungen zu tun, die in einer Kaserne abgehalten werden. Die Klage des Nach- 
bars auf Unterlassung wird abgewiesen, da es sich „um Ausübung des Militär- 
hoheitsrechts“ handle; nur Entschädigung kann in Frage sein. — R.G. 26. Sept. 
1894 (Reger XVI S. 99): Klage auf Unterlassung wegen überfliegender Kugeln 
zugesprochen; es handle sich um keine Ausübung eines Militärhoheitsrechts, weil 
ja das Überfiiegen der Kugeln nicht „gewollt“ sei. Mit dem Knallen, das R.G. 
24. Sept. 1889 verbot, soll es etwas anderes sein, weil es „gewollt“ ist. Das ist 
aber wieder reine Spitzfindigkeit. Denn wer die Schießübungen „will“, muß sich 
auch die unausbleiblich damit verbundenen Fehlgänger als gewollt anrechnen lassen. 
In der Veranstaltung solcher Schießübungen auf die Gefahr hin, daß solche 
Nebenwirkungen eintreten, besteht eben das, was hier Ausübung des Militär- 
hoheitsrechts genannt wird und was wir unter „öffentlicher Verwaltung“ mit be-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.