Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

244 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 
man von einer Treuepflicht, die hier dem Schuldner obliegt. 
Auf diese Treuepflicht läuft es also hinaus!: 
Damit ist nun allerdings zunächst eine Forderung sittlicher 
Natur aufgestellt, die als solche keine kennzeichnende Linie vor- 
stellt in dem juristischen Bild. Mittelbar wird sie nichts desto- 
weniger von Bedeutung, indem sie Maßstäbe liefert für die 
Frage, ob der Dienstpflicht im Einzelfalle genügt worden ist oder 
nicht, namentlich für die Dienststrafgewalt (unten $ 45) hat das 
seine Wichtigkeit. Vor allem aber erzeugt diese sittliche Beigabe 
gewisse rechtliche Eigentümlichkeiten und Zutaten 
unseres Rechtsinstituts, die um ihretwillen da sind und nur in 
ihrem Zusammenhange verständlich werden®. Das sind die folgenden: 
1. Die öffentliche Dienstpflicht kann ordentlicherweise nur einem 
Staatsangehörigen obliegen. Das Verwaltungsrecht ist zwar, 
wie wir gesehen haben, grundsätzlich gleichgültig gegen die Staats- 
angehdrigkeit: die Polizeigewalt, die Finanzgewalt, das Öffentliche 
ı ALR.II 10 $ 2: Militär- und Zivilbediente sind, „außer den allgemeinen 
Untertanenpflichten, dem Oberhaupte des Staates besondere Treue und Gehorsam 
schuldig“. Das gilt auch von den ihre gesetzliche Dienstpflicht erfüllenden „Kanto- 
nisten“: $ 48ff. a. a0. — Laband, St.R.I S. 434 ff. hat die Treuepflicht beim 
öffentlichen Dienst mit gehörigem Nachdruck als das Wesentliche daran hervor- 
gehoben. Er glaubt aber dabei ausgehen zu sollen von der durch commendatio 
begründeten Treuepflicht des Lehensmannes und findet von da den Anschluß nur 
an das durch „Staatsdienstvertrag“ begründete Dienstverhältnis des Staatsbeamten. 
Wo der Dienst kraft „Untertanenpflicht“ gefordert wird, wie also namentlich bei 
Erfüllung des gesetzlichen Heerdienstes (S. 434 oben), versagt der Zusammenhang. 
Auch hier wird später (a. a. O. IV S. 150) doch noch eine „militärische Treu- 
verpflichtung“ gefordert; diese wäre aber nur eine „Potenzierung der Treuepflicht 
des Untertanen“. Allein die Verschiedenheit, die hier gemeint ist, wird doch nur 
in der Entstehung des öffentlichen Dienstverhältnisses zu finden sein; die Treue- 
pflicht, welche dieses beim Soldaten wie bei dem mit „Staatsdienstvertrag“ dienenden 
Offizier begleitet, ist überall dieselbe. 
? Es ist unrichtig, die Treuepflicht bei Aufzählung der Pflichten des Staats- 
dieners eine besondere Rubrik bilden zu lassen, als hätte sie einen Inhalt für sich: 
Bluntschli, Staatswörterb. IX S. 698; v. Roenne, St.R. d. Preuß. Mon. III 
S. 473; Laband, St.R. I S. 456 (vgl. aber auch 8.459 Note 1, wo die hier ver- 
tretene Auffassung erscheint), Radnitzki in Arch. f. öff. R.XX S. 120 ff., möchte 
namentlich eine „selbständige Treuepflicht“ statuieren gegenüber der im Dienst- 
verhältnisse liegenden Gehorsamspflicht. Aber auch diese ist eben mit besonderer 
Treue zu erfüllen; das bedeutet also keine Selbständigkeit, sondern ein Durchdringen 
dieser Pflicht wie der ganzen Dienstpflicht überhaupt. — Ebenso unrichtig ist es 
andererseits, wenn man der Treuepflicht jede juristische Bedeutung absprechen 
wil: G.Meyer in Annalen 1880 S. 345; Rehm in Annalen 1885 S. 86; Loening, 
V.R. S. 121 ff.
	        
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