Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

20 Das öffentliche Sachenrecht. 
verlangt, daß das Grundstück mit seiner Körperlichkeit dem Unter- 
nehmer diene, nicht mit seinem Verkaufswert ®”. 
Unzulässig ist in diesem Sinne die Enteignung auch, wenn es 
sich bloß darum handelt, die Besitzverhältnisse zwischen den 
Einzelnen zu ändern, so daß das Grundstück gar nicht in den 
Händen der Verwaltung bleibt: ein dauerndes Unternehmen der 
letzteren, dem es dienstbar gemacht würde, ist hier gar nicht ge- 
geben. Man denke etwa an eine Enteignung von Großgrundbesitz 
zur Verteilung an die Bauern oder von Fabriken behufs genossen- 
schaftlicher Unternehmungen der Arbeiter ®®. | 
Ebensowenig würde sich aus der allgemeinen Enteignungs 
ermächtigung eine Entziehung von Privateigentum rechtfertigen, 
2! Hierher gehören die hier und da durch die Gesetze zugelassenen s0g. 
Zonen-Expropriationen; Neumann, in Annalen 1886 S.405, und ausführ- 
licher jetzt Bredt, Die Zonenenteignung und ihre Zulässigkeit in Preußen, 1909. 
Daß hier mehr genommen werden darf, als das Unternehmen selbst fordert, um 
das mit Vorteil weiter veräußern zu können, bezeichnet v. Rohland, Ent.R. 
S. 22 Note 3, geradezu als das „Verwerfliche* an der Einrichtung. Das „Un- 
gewöhnliche“ wäre richtiger gesagt. Bredt a.a.0.S.9 hat mich mißverstanden, 
wenn er meint, daß ich mit v. Rohland die „finanzielle Zonenenteignung ver- 
urteile“. 
Ein Hauptbeispiel gibt das Preuß. Wasserstraßenges. v. 1. April 1905 $ 16: 
Bis auf 1 km von der Mittellinie des zu erbauenden Kanales aus darf der Staat 
enteignen, damit die „Spekulation“ nicht dieser Grundstücke sich bemächtige. Bei 
der Beratung des Gesetzes stellte man es so dar, als wenn eigentlich das be- 
stehende Enteignungsgesetz schon genüge und das neue Sondergesetz nur ge- 
macht werde, „um jeden Zweifel zu beseitigen“, oder, wie von seiten der Regierung 
ausgeführt wurde, um „eine Deklaration der bestehenden Gesetzgebung“ zu geben; 
denn nach dieser „könne es zweifelhaft sein, ob Grundstücke enteignet werden 
Könnten, die nicht unmittelbar zur Kanalanlage Verwendung fänden“ (vgl. das 
Material bei Bredt a. a. O. S. 107f.), Meines Erachtens sind das nur die üb- 
lichen Redensarten zur leichteren Einführung einer Sonderbestimmung. Daß das 
Pr. Ent.Ges. v. 1874 hierfür nicht ausreichte, liegt auf der Hand. 
*® Grünhut, Ent.R. S. 3, übertreibt nur den richtigen Gedanken, wenn er 
als wesentlich für die Enteignung aufstellt „die Übertragung in das öffentliche 
Gut“. — Hierher gehört das Preuß. Ges. v. 20. März 1908 Art.I $ 13 ff, wonach 
der Staat zur Beförderung der deutschen Ansiedelung in Westpreußen und Posen 
Grundbesitz im Wege der Enteignung soll erwerben können. Die vielbesprochene 
Maßregel ist hier weder nach ihrer Zweckmäßigkeit noch nach ihrer sittlichen 
Zulässigkeit zu würdigen. Rechtlich steht es so, daß sie nach der Preuß. Verf.Urk. 
Art. 9 nicht ausgeschlossen ist: „aus Gründen des öffentlichen Wohles“ will ja 
auch das geschehen. Andererseits hätte sie — wenn auch die Regierung das 
selbstverständlich wieder nur als „zweifelhaft“ hinstellte (Fürst Bülow im Abg.- 
Haus 28. Nov. 1907) — auf Grund des Ent.Ges. v. 11. Juni 1874 $ 1 niemals ge- 
troffen werden können: „für ein öffentliches Unternehmen, dessen Ausführung es 
erfordert“, wird hier das Grundeigentum nicht entzogen.
	        
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