Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 43. Anstellung im Staatsdienst. 259 
der Begründung und die Bestimmung eines Entgelts Verwechs- 
lungen hier erleichtern. 
Rechtlich liegt die Sache so, daß die Anstellung im Staats- 
dienst überall als zulässig zu erachten ist, wo auch ein bürgerlicher 
Dienstvertrag möglich wäre. Dagegen ist dieser letztere vielfach 
durch die Gesetze ausgeschlossen, so daß nur das Öffentliche Dienst- 
verhältnis der Anstellung möglich bleibt. Das tun die Gesetze 
vornehmlich in der Form, daß sie für gewisse Geschäfte eine 
„Ernennung“ vorschreiben, oder einen „Beamten“ damit beauftragt 
wissen wollen oder auch sie als ein „Amt“ bezeichnen, das hier zu 
versehen ist; ein öffentlicher Beamter, ein öffentliches Amt 
ist dann gemeint. Soweit aber danach noch eine Wahl zwischen 
den beiden Formen offen gelassen ist, geben Brauch und allgemeine 
Anschauung gewisse Maßstäbe für die Verwendung des einen oder 
anderen Rechtsinstituts. Dabei wird von dem Gesichtspunkt aus- 
gegangen, daß die Anstellung im Staatsdienst eine höhere Wertung 
der zu besorgenden Geschäfte bedeutet. Deshalb sollen insbesondere 
mit der Ausübung obrigkeitlicher Macht nur öffentliche Be- 
amte in diesem Sinne betraut werden dürfen, nicht auch bloße 
kontraktliche Diener“. Außerdem kommt aber auch noch in Betracht, 
  
* Unrichtig R.G. St£.S. 14. April 1905 (Reger XXVI S. 131): Den Mitgliedern 
des Vorstandes der Ortskrankenkasse wird hier mit Recht Beamteneigenschaft ab- 
gesprochen, weil die Kasse „dem Staate nicht organisch eingegliedert“, d. h. un- 
fähig ist, Dienstherrin im öffentlichen Dienstverhältnis zu sein (vgl. oben $ 42 
Note 9). Es wird aber außerdem noch geltend gemacht, daß hier ihnen zum 
Beamten der richtige Inhalt der Dienstpflicht fehle, nämlich „Ausübung von 
Funktionen öffentlichrechtlicher Natur, die aus der Staatsgewalt abzuleiten sind 
und unmittelbar oder mittelbar staatlichen Zwecken dienen“. Dieser Grund trifft 
nicht zu. Denn einmal gibt es öffentliche Beamte des Staates und der Gemeinde, 
deren Amtstätigkeit sich ganz auf privatrechtlichem Gebiete bewegt (vgl. oben 
3 42 $. 250). Sodann aber sind ja die Geschäfte der Krankenkassen im wesent- 
lichen öffentlichrechtlicher Art: die Erhebung der Beiträge, wie die Befriedigung 
der Ansprüche der Versicherten bewegt sich auf öffentlichrechtlichem Boden. Es 
hat hier offenbar eine Verwechslung stattgefunden mit „Funktionen obrigkeit- 
licher Natur“. Die bedeuten einen engeren Kreis: der Kern sind Befehl und 
Zwang namens des Gemeinwesens. In diesem Sinne Rehm, Annalen 1885 S. 163: 
ein „obrigkeitliches“ Staatsamt ist ein solches, welches das Recht enthält, „aus 
eigener Macht die Untertanen verpflichtende Gebote und Verbote zu erlassen“. So 
versteht es auch Laband, St.R. 18.365, der mit einem „obrigkeitlichen“ Staatsamt 
immer die Delegation von Hoheitsrechten, eine obrigkeitliche Gewalt, Ausübung 
der Staategewalt verbunden sein läßt. Das ist allerdings dasselbe, was im alten 
Polizeistaat allein als öffentlichrechtlich angesehen wurde, weil man die feineren 
Entfaltungen der öffentlichen Gewalt noch nicht beobachten gelernt hatte (vgl. oben 
Bd. IS. 54), Heutzutage muß anders unterschieden werden. 
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