Metadata: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 343 
gonnen und dabei die Nichtigkeit des Urteils zur Geltung gebracht wird, oder auf dem Wege 
einer Feststellungsklage; oder endlich, wenn es zur Vollstreckung kommt, kann mit einer Voll- 
streckungsgegenklage vorgegangen werden, falls überhaupt bei der Unmöglichkeit von einer 
Vollstreckung die Rede sein kann; z. B. wenn das Gericht durch Haft oder Geldbuße eine un- 
mögliche oder unsittliche Tätigkeit erzwingen wollte (S. 367, 387). 
2. Urteilsfeststellung. 
a) Charakter. 
*# 7z3. Das feststellende Urteil hat die Bedeutung, daß hier das öffentliche Recht das 
private überwindet. Steht es mit dem bisherigen Rechte im Widerspruch, so ändert es dasselbe; 
das bisherige Recht muß dem vom Urteil festgestellten weichen, was die Deutschen in genialer 
Weise damit aussprachen: Unrecht ist auch Recht. Manche haben angenommen, daß hier in 
der Tat nicht eine Anderung des bürgerlichen Rechtes eintrete, sonderm es bleibe, wie es ist, daß 
sich aber in das bürgerliche Recht ein dasselbe durchkreuzendes publizistisches Verhältnis einschöbe; 
so daß zwischen dem bürgerlichen Rechte und diesen publizistischen Beziehungen zu unter- 
scheiden wäre und bürgerlich-rechtlich die Sache dem einen zustehen könne, während der andere 
die Befugnis hätte, vom Gericht zu verlangen, daß es das Unrecht als Recht erklären und die 
Sache ihm zuerkennen solle. Das Gericht spräche also: die Sache gehört dem A., aber ich muß 
sie dennoch dem B. zusprechen. Ein solcher Dualismus stände im Widerspruch mit der Bedeutung 
der feststellenden Rechtspflege; diese soll Ruhe und Frieden bringen und nicht einen neuen 
Zwiespalt in die Verhältnisse hineintragen. 
Die unrichtige Ansicht ist neuerdings durch Pagenstecher Z. f. BP. XXXVII S. 1 ff. 
völlig vernichtet worden 1. Es führt doch auch zu den seltsamsten Konsequenzen, wenn wir 
uns den Fall denken: Im Streite zwischen A. und B. erkennt der Richter das Eigentum des B. 
an; trotzdem nimmt A. die Sachen dem B. weg, und wenn er wegen Diebstahl verfolgt wird, so 
erklärt er, daß die Sache ihm nichtsdestoweniger gehöre, er also seine eigene Sache weg- 
genommen und mithin keinen Diebstahl begangen habe. Nun möchte man immerhin sagen: 
auch der Strafrichter ist an das Zivilurteil gebunden, und hiemach müßte der Strafrichter 
sagen: obgleich ich überzeugt bin, daß die Sache dem A. gehört und mithin A. seine eigene 
Sache weggenommen hat, so muß ich ihn trotzdem wegen Diebstahl verurteilen, weil mir durch 
das Zivilgericht vorgeschrieben ist, die Sache des A. so zu behandeln, wie wenn sie die Sache 
des B. wäre. Das wäre schon an sich eine Ungehenerlichkeit; wenn wir uns aber noch zudem 
einen K. als Gehilfen denken, so müßte der Richter sagen: das Zivilurteil bezieht sich nur auf 
A. und B., nicht auf X.; für X. kann ich daher annehmen, daß die Sache richtigerweise dem A. 
gehört, mithin liegt bezüglich des X. kein Diebstahl vor, da er nur dem A. helfen wollte, seine 
eigene Sache zu nehmen. Oder: Im Nichtigkeitsprozeß ist die Ehe zwischen A. und B. als 
nichtig erklärt worden. A. will wieder heiraten. Der Standesbeamte weigert sich: das Urteil 
sei unrichtig, und die Ehe zwischen A. und B. bestünde noch. Oder: Im Streit zwischen A. und 
B. wird A. als Eigentümer des Grundstückes bezeichnet; trotzdem hätte die Steuerbehörde 
die Grundsteuer stets von dem A. zu erheben und alle öffentlichen Lasten würden ihm ob- 
liegen; oder soll etwa das prozessuale Verhältnis, welches den Richter zwingt, seiner Uberzeugung 
zum Trotz das Eigentum des A. als das Eigentum des B. zu betrachten, auch die Verwaltungs- 
behörde binden? 
Und wie wäre es im internationalen Recht? Die prozessuale Folge des Urteils, welche 
den Richter zwingt, etwas Falsches anzunehmen, würde nur im Inlande, nicht im Auslande 
gelten. Wenn also A. dem B. die Sache im Inlande stiehlt, so wird er als Dieb verurteilt, 
wenn er sie im Auslande nimmt, ist er ein Ehrenmann. Diese Dinge sind nicht weiter zu erörtemm. 
Man hat in sehr unglückseliger Weise entgegengehalten, daß, wenn der Staat eine zivil- 
rechtliche Folge herbeiführe, diese Folge doch absolut eintreten müßte. Allein die Folgen 
können nur eintreten in den Grenzen der Parteirechte, da nur die Parteien streiten. Daher 
  
1 Vgl. auch Dern burg-Kohler VI S. 576.
	        
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