Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

278 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 
Die Notwendigkeit der Entlassung hat allerdings nicht bloß 
eine formale Bedeutung, so daß sie gewissermaßen nur. zu Ehren 
der öffentlichrechtlichen Natur des Dienstverhältnisses stattfände. 
Der Entlassungsakt ist nicht schlechthin gebunden. Vielmehr er- 
mächtigt das Gesetz zum Teil die Behörde ausdrücklich, die Ent- 
lassung vorläufig zu verweigern, wenn die Bedürfnisse des Dienstes 
das Verbleiben des Beamten noch erheischen. Das ist gegenüber 
dem einseitigen Rechte, jederzeit die Entlassung zu beantragen, 
nichts anderes als eine Übersetzung des bürgerlichrechtlichen 
Verbots einer Kündigung zur Unzeit in das Öffentlichrechtliche®®. 
Ob unzeitgemäß gekündigt ist oder nicht und wie lange noch zu- 
gewartet werden soll, darüber entscheidet freilich hier wieder der 
stärkere Wille im Rechtsverhältnis einseitig. Insofern aber eine 
solche Einschränkung des freien Austritts in der Natur dieses 
Verhältnisses begründet ist, wird die einstweilige Verweigerung 
der Entlassung auch da für zulässig erachtet werden müssen, wo 
das Gesetz sie nicht besonders vorsieht ?”. 
stillschweigenden. Es wäre sicher zulässig, dabei zu bestimmen: der Beamte 
solle jederzeit seine Entlassung begehren können. Und ebenso muß das als still- 
schweigend bestimmt gelten, auch wenn nichts gesagt ist, sobald man einmal an- 
nimmt, daß es der „Natur des Beamtenverhältnisses“ entspreche. Das folgt alles 
aus dem richtig erkannten Wesen des Verwaltungsaktes: so wie er einen Rechts- 
anspruch auf den Gehalt begründet gemäß der Gehaltsregulative, vermag er auch 
einen Rechtsanspruch auf Entlassung zu begründen gemäß dem, was man all- 
gemein für geziemend hält. Dazu bedarf es keiner Rechtssätze, die das gestatteten. 
Vgl. oben Bd. IS. 100. 
Laband, StR. 15. 524 Note 1 bemerkt gegen diese Auffassung: „O.M. 
erkennt den Rechtssatz an, will ihn aber aus einer ‚stillschweigenden Klausel‘ des 
Anstellungsaktes herleiten, nimmt also unnötigerweise eine Fiktion zu Hilfe.“ 
Einen Rechtssatz aus der stillschweigenden Klausel eines Rechtsgeschäfts her- 
leiten zu wollen, wäre ein grober Fehler. Ich erkenne ja aber überhaupt keinen 
Rechtssatz hier an; wenn ich den unnötigen Gewohnheitsrechtssatz für Blendwerk 
halte, so ist damit nicht gesagt, daß ich ihn durch einen richtigen Rechtssatz 
ersetzen müßte; es geht, wie gesagt, auch so. Auch der Vorwurf der Fiktion 
trifft mich nicht; bei mir wäre dergleichen in der Tat unnötig. Wenn ich in 
1. Aufl. (Bd. II S. 230) noch breiter. ausführte wie jetzt, es könne „aus den Um- 
ständen geschlossen werden, daß es der Wille des Aktes sei“, ein Recht auf 
Entlassung zu gewähren, so ist das, in unserem alten juristischen Geschäftsstil 
gesprochen, eine praesumtio facti vel hominis, aber keine praesumtio juris, ge- 
schweige denn eine Fiktion. 
» B.G.B. $ 627 Abs. 2, $ 723 Abs. 2. 
7 So für das Reichsbeamtenrecht Kanngießer, Kom. S. 116: „Als Grund- 
satz wird auch im Reiche festzuhalten sein, daß der Beamte den Abschied nicht 
unzeitig verlangen darf.“ Dieser „Grundsatz“ erhellt zunächst wieder als all- 
gemeine Rechtsanschauung aus den ausdrücklichen Bestimmungen der Landes-
	        
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