8 44. Zwangsdienstpflicht und übernommenes Ehrenamt. 301
Ist das Gewaltverhältnis beim Heerdienst ganz unverbältnis-
mäßig kräftiger entwickelt als bei dem Justizdienst der Geschworenen
und Schöffen, so hat der Dienstantritt dafür bei diesen eine Rechts-
wirkung, die der Einstellung des Soldaten fehlt: Geschworener und
Schöffe haben ein Amt. Das Gesetz bezeichnet es als ein Ehren-
amt®!, Als solches ist es äußerlich erkennbar durch das Fehlen
der Besoldung; dem inneren Wesen des Ehrenamtes entspricht es
dadurch, daß auch hier die Bürgerpflicht in Anspruch genommen
wird zur Leistung der Dienste, deren die Justiz bedarf. Daß der
Staat sich auf die freiwillige Erfüllung dieser Pflicht nicht verläßt,
sondern mit geeigneten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen,
nachhilft, ändert an dem Wesen des Ehrenamtes nichts. Hier ist.
nur die Nachhilfe so stark, daß der Staat die dazugehörige Dienst-
pflicht auch ohne und gegen den Willen des Inanspruchgenommenen
entstehen läßt, einseitig durch den Willen seiner Behörde.
Das Verhältnis zwischen Amt und Dienstpflicht ist aber hier
ein ganz anderes als bei der Anstellung im Staatsdienst. Während
bei dieser das Amt als eine ständige Zugabe zur Dienstpflicht sich
darstellt — die Dienstpflicht wird durch die Übertragung eines Amtes
zur Amtspflicht, der Dienstpflichtige ist für seine Person aus-
gestattet mit dem Amte, und solange ihm das nicht wieder ent-
zogen wird, ist seine Dienstpflicht verwirklichte, aktive Dienstpflicht,
— kommt beim Geschworenen und Schöffen das Amt stets erst mit
dem Dienstantritt im Einzelfalle zur Entstehung. Es wird ihnen
nicht verliehen, sondern hängt sich kraft Gesetzes an die jedes-
malige Anwesenheit bei Gericht zur Erfüllung der auferlegten
Dienstpflicht*?®, Der Landrichter wie der Regierungsrat bringen
Vorteile zu genießen, ein solches Gewaltverhältnis. Vgl. unten $ 52, In. 2. —
Die Leitungsgewalt, die wir hier von der Dienstgewalt unterscheiden,
erscheint auch außerhalb des öffentlichen Dienstverhältnisses, bei den öffentlichen
Lasten nämlich; vgl. unten $ 47, II n. 3. Auf dem Gebiete des Öffentlichen
Dienstverhältnisses ist, wie oben schon ersichtlich, ihre Bedeutung nicht überall
die gleiche. Beim Schöffen, der einem Dienstbefehl nicht unterliegt, steht sie
allein; beim Soldaten wird sie umgekehrt durch den militärischen Dienstbefehl
erdrückt. Es gibt öffentliche Dienstverhältnisse, bei welcher sie neben der
Dienstbefehlsgewalt erscheint, die also einen dritten Fall darstellen: der Land-
gerichtsrat hat seinen Vorgesetzten, der ihm Dienstanweisungen geben kann, außer-
halb der urteilenden Tätigkeit natürlich; er steht außerdem für die Sitzung unter
der Leitungsgewalt des Vorsitzenden, der sein Vorgesetzter nicht ist. In dieser
Hinsicht ist seine Stellung der des Schöffen gleich.
#° Warum dies dem Soldaten fehlt, vgl. oben $. 252 u. 258.
1 G.V.G. 8$ 31 u. 8.
?? Es wird auch nicht „angenommen“ von ihnen. Der Vorgang ist eher um-