Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

306 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 
Ehrenamt, das bei der Zwangsdienstpflicht als ein bloßes Anhängsel 
erscheint, steht hier von vornherein im Mittelpunkte des ganzen 
Rechtsinstituts und gibt ihm seine Eigenart in allen Einzelheiten. 
Auch gegenüber der Anstellung im Staatsdienst wird dieser Gegen- 
satz wirksam; einerseits kann zwar bei dieser Amt- und Dienst- 
pflicht ebenfalls mit einem Schlage zur Entstehung kommen, doch 
wahrt dort immer noch die Dienstpflicht eine gewisse Möglichkeit 
gesonderten Daseins; und andererseits tritt gerade gegenüber dem 
Berufsamt, mit dem wir dort zu tun hatten, .die Besonderheit des 
Ehrenamtes an den rechtlichen Bestimmtheiten der hier zu be- 
trachtenden Art von Dienstpflicht auf das deutlichste zutage. 
1. Wie oben S. 294 einleitend bemerkt wurde, handelt es sich 
beim Ehrenamt überall darum, daß auf den, der damit belastet 
werden soll, von seiten der Obrigkeit eine Einwirkung geübt wird, 
um das an ibm zustande zu bringen. Bei der Zwangsdienstpflicht 
des Geschworenen und des Schöffen wird das Ziel in der unmittel- 
barsten Weise erreicht durch Auferlegung der Dienstpflicht. Auch 
bei der öffentlichen Dienstpflicht des übernommenen Ehrenamtes 
fehlt eine solche Einwirkung nicht; sie erscheint aber hier in der 
Form eines moralischen oder rechtlichen Druckes auf den 
Willen des zu Verpflichtenden, damit er sich zur Übernahme des 
Amtes und damit der Pflicht bereit finde®®. Der Kreis derer, denen 
das für jede der dafür in Betracht kommenden Ämterarten von der 
Obrigkeit zugemutet werden darf, die also einem solchen Drucke 
ausgesetzt sein sollen, wird durch das Gesetz bestimmt, unmittelbar 
# Vgl. oben Note 4 — Man kann auf eine Unterscheidung der Art und 
Kraft des obrigkeitlichen Druckes, der die erforderliche Dienstpflicht hervorbringt, 
verzichten und alle Ehrenämter zusammenfassen unter dem Gesichtspunkte dieses 
Druckes im allgemeinen oder, wie Laband es nennt, der „Erfüllung der Unter- 
tanen- oder Bürgerpflicht“ (St.R. I S. 483). Man kann auch an eine Einteilung 
nach drei Gruppen denken: Ämter mit auferlegter Dienstpflicht, durch Bedrohung 
mit rechtlichen Nachteilen besetzte, durch Inanspruchnahme des Bürgersinns unter- 
gebrachte. Wie sehr die beiden letzteren Fälle zusammengehören, ist sofort schon 
einleuchtend,, wird aber noch deutlicher werden. Wir unterscheiden daher nur 
zwei Gruppen, nach vis absoluta und vis compulsiva, wenn der Ausdruck gestattet 
ist, — Eine andere, ziemlich verbreitete Einteilung faßt unter dem Namen Zwangs- 
dienstpflichten oder Pflichtehrenämter die beiden ersten Arten, auferlegte Dienst- 
pflicht und Bedrohung der Nichtannahme mit Rechtsnachteilen, unterschiedslos 
zusammen, erhält also gleichfalls nur zwei Gruppen. So Gareis, Allg. StR. 
S. 148; Sarwey, Württ. S.R.IS.230; G. Meyer-Anschütz, StR. 823 n.1; 
Fölsche, Ehrenamt 8. 114 ff. Die Sache sieht aber hier nur deshalb so glatt 
aus, weil man Begründung der Dienstpflicht und Begründung des Amtes nicht klar 
genug auseinanderhält. Vgl. unten Note 41.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.