312 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Alle diese Strafen werden von den leitenden Stellen aus-
gesprochen. .Sie sind keine Zwangsstrafen. Ihr Zweck ist überall
eine Beschämung des Ablehnenden durch diese handgreifliche
Mißbilligung von seiten der Obrigkeit **.
Soweit solche Strafen nicht zur Verfügung stehen, wird man
auch hier, wie bei der Anstellung im Staatsdienst, sich vor der
Ernennung sorgfältig erkundigen, ob der in Aussicht Genommene
einwillige, mit dem Ehrenamte belastet zu werden. Die kund-
gegebene Ernennung wird dann wie dort das Vorhandensein dieser
Voraussetzung ihrer Gültigkeit bezeugen*#. Wo hingegen die
Nichtannahme mit Strafen bedroht ist, bedeutet die kundgegebene
Ernennung nur dann zugleich die Feststellung der vorhandenen
Einwilligung, wenn sie das sagt. Denn die Bestrafung setzt voraus
eine Ablehnung trotz förmlicher Antragung des Amtes. Die Er-
nennung kann also gerade zu dem Zweck geschehen, den Mann
dieser Strafdrohung gegenüberzustellen. Dann ist sie für sich
nicht erfüllt. Die Bestrafung des letzteren ist also eigentlich eine Disziplinar-
strafe.“ Davon weiche ich gar nicht so überraschend weit ab, wie Fölsche
a. a. 0. Note 38 annimmt. Ich meine nur, daß der zum Schöffendienst Berufene,
der nicht bei Gericht erscheint, kein Amt hat, unter keiner Dienstgewalt steht
und folglich auch einer Disziplinarstrafe nicht unterliegt. Eine Dienstpflicht
hatte er, vermöge deren er hätte erscheinen sollen, und in dem sich nicht recht-
zeitig Einfinden liegt ihre Verletzung. Daher sagt G.V.G. 8 56: „Schöffen, welche
zu den Sitzungen sich nicht rechtzeitig einfinden, sind . ... zu verurteilen“. Da-
gegen sagt R.Vers.Ord. $ 51: „Wer die Wahl... ablehnt, kann... bestraft
werden.“ Fölsche a.a.0O. schließt daraus ganz richtig, daß hier „die betreffende
Person bestraft werden kann, bevor sie überhaupt eine Amtshandlung vorzunehmen
brauchte.“ Sie wird eben bestraft wegen Verweigerung der hier erforderlichen
Annahme von Amt und Dienstpflicht. Der andere, der dem Amtsrichter schreibt,
er lehne die auf ihn gefallene Wahl und Auslosung zum Schöffendienste ab, ist
deshalb nicht strafbar; denn hier bedarf die auferlegte Dienstpflicht keiner An-
nahme; das Schreiben ist also bedeutungslos. Kommt der Mann dann wirklich
nicht, so wird er gestraft, nicht weil er abgelehnt hat, sondern weil er nicht da ist.
“ Bei der Beratung der Kr.O. im Herrenhause wurde von den zu ver-
hängenden Vermögensnachteilen wegen Ablehnung von Ehrenämtern gesagt: „Es
ist diese Straffestsetzung mehr ein moralisches Gericht... aber ein solches com-
pelle muß bestehen.“ Preuß. Herrenhaus Sess. 1871/1872 Sten. Ber. S.415. — Sehr
bezeichnend für die rechtliche Natur dieser Strafen ist das Strafmittel, welches
das Französische Gesetz v. 3. frim. VI Art. 13 ff. anzuordnen gestattet gegen den,
der sich weigert, ehrenamtliches Mitglied des Steuereinschätzungsausschusses
(commission des r&partiteurs) zu werden. Er wird vor den Bürgermeister geladen,
der ihm eine Ansprache hält in sakramentellen Worten, also beginnend: „Citoyen,
vous avez refuse de rendre service & la patrie.“ Dann ist es erledigt.
# Vgl. oben $ 43 S. 266.
* Fölsche, Das Ehrenamt S, 128. O.V.G. 9. Juni 18835 (Entsch. XII S. 6).