Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 45. Die Dienstgewalt. 398 
— Der Befehl muß seinem Inhalte nach das dienstliche 
Verhalten des Untergebenen betreffen, d. h. etwas von ihm ver- 
langen, was denkbarerweise noch in der Dienstpflicht begriffen ist ?®. 
Es sind ja immer nur Tätigkeiten bestimmter Art, die 
geschuldet werden, allerdings samt allem, was nebensächlich noch 
dazu gehört, und samt den entsprechenden Unterlassungen. Ob 
es im Einzelfalle richtig oder unrichtig war, gerade das zu fordern, 
ist für die Frage, die uns hier beschäftigt, gleichgültig: es genügt, 
daß derartiges kraft der Dienstpflicht überhaupt gefordert 
werden kann; dann ist es Sache des Vorgesetzten, zu bestimmen, 
ob er es jetzt in Anspruch nehmen wollte, und sein Befehl wird 
wirksam ohne ein Recht des anderen zur eigenen Prüfung und zur 
Gehorsamsverweigerung. Danach kann der Spielraum, innerhalb 
dessen der Befehl vorläufig bindet, sehr weit gehen. 
Ausgeschlossen sind grundsätzlichpersönliche Angelegen- 
heiten des Befehlenden im Gegensatz zu Angelegenheiten des 
Gemeinwesens: nur diesem letzteren gehört der Dienst. Doch kann 
sich beides verbinden ®°, 
1% Das wird schief ausgedrückt, wenn man sagt: das Zugemutete müsse 
noch in der „Kompetenz“, in der „Zuständigkeit“ des Dienstpflichtigen liegen. 
So Laband, St.R. I S. 462 (S. 463 soll er sich sogar fragen, „ob die ihm zu- 
stehende Amtsgewalt ihn ermächtigt, die ibm aufgetragene Handlung vor- 
zunehmen“); Seydel, Bayr. St.R. II S. 223; G.Meyer-Anschütz, St.R. $ 146 
n. 8c; Freund, in Arch. d. öff. R. IS. 136; Loening, V.R. S. 122 Note 5 
(nur „Handlungen, zu deren Vornahme er eine allgemeine Zuständigkeit besitzt“). 
Dabei schielt man immer schon auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung dem 
Dritten gegenüber und die hierbei in Betracht kommende Zuständigkeit zur Er- 
lassung obrigkeitlicher Akte. Aber die Frage des Umfangs der Gehorsamspflicht 
steht doch auf einem viel breiteren Boden. Sie kann auch auftauchen, wenn dem 
Kanzleibeamten befohlen wird, etwas Tinte nachzugießen. Von Zuständigkeit und 
Amtsgewalt ist da auf seiner Seite gar keine Rede. Und der Soldat, der doch 
auch eine Gehorsamspflicht hat, wäre bei jedem Befehl in der Lage, seine Zu- 
ständigkeit in der hier vorgesehenen Weise zu verneinen, da er ja überhaupt keine 
besitzt. — Die Terminologie: „Dienstbefehl“ als Befehl des Vorgesetzten und 
„Befehl in Dienstsachen“ als auf das dienstliche Verhalten sich beziehender 
scheint mir nicht den Wert zu besitzen, den M. E. Mayer, in der Jur.Z. 1907 
$. 851 ff, ihr beilegen möchte. Die weiter dort aufgestellte Behauptung, daß der 
Unterschied „genau der gleiche“ sei wie zwischen Gesetz im formellen und mate- 
riellen Sinne, ist jedenfalls ganz irreführend. 
% Es gibt Beamte, die geradezu dafür bestellt sind, anderen Beamten, 
höheren natürlich, bei ihrer Tätigkeit persönliche Dienste zu leisten. Vor allem 
beim Heere vermischen sich diese Dinge: der Burschendienst ist zugleich Er- 
füllung der öffentlichen Dienstpflicht, und Ungehorsam dabei hat die Folgen der 
Verletzung des militärischen Gehorsame,. 9j*
	        
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