Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

394 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 
Andererseits gibt auch das Privatleben des Dienst- 
pflichtigen keinen möglichen Gegenstand für einen Dienst- 
befehl. Nicht als ob es dienstlich gleichgültig wäre: die Dienststraf- 
gewalt (vgl. unten II) ist in der Lage, sich sehr stark damit zu 
beschäftigen. Aber was in dieser Hinsicht dem Dienstherrn ge- 
schuldet wird, kann durch Dienstbefehl nicht näher bestimmt 
werden ’®!. “ 
8. Der Dienstbefehl hat aber noch andere Grenzen, um 
derenwillen dem Untergebenen ein Nachprüfungsrecht: zusteht, da- 
mit er je nachdem den Gehorsam verweigere. Sie sind gesetzt mit 
Rücksicht auf die Wirkungen, welche die Ausführung des Befohlenen 
nach außen haben würde. 
Damit betreten wir das Gebiet einer alten, vielverbreiteten 
Lehre, aus der auch jetzt noch das rechte Verständnis des Dienst- 
befehls manche Erschwerung erfährt. Der Rechtswissenschaft ist 
es nämlich begegnet, hier unter den Einfluß sehr wohlmeinender 
politischer Tendenzen zu geraten, was für sie stets von Übel ist. 
Die Ideen des Verfassungs- und Rechtsstaates ließen ja alles will- 
kommen erscheinen, was dazu dienen konnte, Recht und Gesetz. 
sicherzustellen gegen Mißbräuche der Behörden und so den 
Untertanen Schutz zu gewähren. Und ein wirksames Mittel sah 
man in dem Grundsatze, daß jeder Beamte oder sonstige Diener 
des Staates für die Gesetzmäßigkeit auch der von ihm 
ausgeführten Anordnungen seiner Vorgesetzten ver- 
antwortlich, folglich befugt, ja verpflichtet sei, diese nach- 
zuprüfen und den Gehorsam zu verweigern, wenn er findet, daß es 
damit nicht in Ordnung gehe. So entstünde eine Gewähr des 
Gesetzes, wie sie nicht besser gedacht werden kann: jeder Beamte 
ist ja nun zu dessen Hüter bestellt gegenüber seinem Vorgesetzten, 
der ohne ihn nichts durchzuführen vermag ®®. 
® In Leipzig hat es der Stadtrat für unzulässig befunden, städtischen Be- 
amten die Bildung von Konsumvereinen zu verbieten, wie von mittelstandlicher 
Seite gewünscht war. Das Verbot des Besuchs gewisser Wirtshäuser läßt sich bei 
den Beamten nicht durchführen. Dabei bleibt die Frage offen, ob solcher Besuch 
nicht abgesehen von einem Verbote disziplinarisches Einschreiten rechtfertigt. — 
Ganz ‚anders beim Soldaten: die militärische Befehlsgewalt erfaßt seine Person 
viel eingreifender und läßt vom Privatleben nicht gar sehr viel übrig. R.Milit.- 
Gericht 25. April 1902 (Entsch. I S. 105): Unteroffizier befiehlt einem Soldaten 
aus anderer Truppe, mit dem er zufällig in der Eisenbahn zusammenreist, das 
Fenster zu schließen; Dienstsache! 
22 Es gab ja eine Zeit, welche die zuverlässigste Tugend nur in den Hütten des 
Subalternbeamtentums suchte, ganz oben aber lauerte der „Ministerialdespotismus“
	        
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