$ 45. Die Dienstgewalt. 327
„polizeiliche Assistenz“ zu leisten, das sind zwei verschiedene Dinge,
die verschiedene Rechtsverhältnisse betreffen. Die Gültigkeit des
letzteren hängt nicht von der Gültigkeit der ersteren ab. Deshalb
kann aus dem Wesen des Dienstbefehls keineswegs von selbst ein
Prüfungsrecht des Untergebenen gegenüber der nach außen
zielenden Maßregel des Vorgesetzten geschlossen’ werden, und ist
es auch vergeblich, eine allgemeine Formel für ein Prüfungsrecht
in dieser Richtung aufstellen zu wollen.
Damit ist nicht gesagt, daß ein solches Prüfungsrecht über-
haupt nicht besteht. Im Gegenteil: es ist nicht zu verkennen, daß
der Untergebene unter Umständen mit Rücksicht auf die
Wirkung, welche seine Tat nach außen haben kann, den Gehorsam
verweigern darf. Falsch sind nur jene tendenzmäßigen Ver-
allgemeinerungen. Es handelt sich in Wirklichkeit hier stets un
besondere gesetzliche Veranstaltungen, die ihren Sinn
und Zweck für sich haben und aus welchen dann eben für die
Kraft des Dienstbefehls eine entsprechende Hemmung sich ergeben
muß. Es ist wichtig, diese Fälle genau abzugrenzen.
Zweierlei kommt in Betracht:
— Was eine Hemmung bereiten muß, ist vor allem das Straf-
gesetz. Jedes Strafgesetz, auch wenn es das Dienstverhältnis gar
nicht im Auge hat, wird hier bedeutsam, sobald der Dienstbefehl
seinem Inhalte nach im gegebenen Falle dahin führen würde, daß
der Untergebene, der ihn befolgt, einer strafbaren Handlung sich
dadurch schuldig machte, als Täter oder Mittäter oder Gehilfe oder
Begünstiger, gleichviel. Es ist aber unmöglich, beides nebeneinander
bestehen zu lassen: die Strafdrohung, durch welche das Gemein-
wesen abhalten will von einer Tat, und den wirksamen Dienst-
befehl, durch welchen es dazu anhalten will. Die schwächere Seite
muß weichen; das ist ordentlicherweise der Dienstbefehl: er wird
unverbindlich in dem Sinne, daß er dem Strafgesetz gegenüber
auch unfähig ist, seine Gültigkeit wirksam für den Untergebenen
zu bezeugen; der Untergebene hat das Recht, gegebenenfalls den
Gehorsam zu verweigern ®®,
— Zum anderen wird die unmittelbare Wirksamkeit des Dienst-
3° Ausnabmsweise weicht umgekehrt das Strafgesetz dem Dienstbefehl.
Mil.Stf.G.B. $ 47: Wenn die befohlene Handlung eine Übertretung darstellt, haftet
der befehlende Vorgesetzte allein; ebenso auch im Falle eines Verbrechens oder
Vergehens, wenn nicht dem Untergebenen bekannt gewesen, daß es sich um ein
solches handelte. — Hieran erweist der militärische Dienstbefehl wieder seine
eigentümliche Stärke,