Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 45. Die Dienstgewalt. 335 
Durch den alles beherrschenden Zweck der Besserung des 
Dienstes unterscheiden sich diese Maßregeln von Grund aus von den 
Strafen des gemeinen Strafrechts. Da sie stets zugleich bei dem 
Betroffenen ein Verhalten voraussetzen, das dadurch mißbilligt wird, 
und ein Übel vorstellen, das ihm die vorgesetzte Obrigkeit zufügt, 
angedroht und er dadurch zur Pflichterfüllung angehalten wird, oder ob ihm im 
einzelnen Falle die disziplinarische Ahndung einer Pflichtverletzung in Aus- 
sicht gestellt wird, um dieselbe zu verhüten“. Hier wird aber dreierlei wohl zu 
unterscheiden sein: 
— Das Strafgesetz soll ja durch seine Strafdrohung dahin wirken, daß 
das Verpönte möglichst nicht geschehe; man mag das mit Feuerbach einen 
„psychologischen Zwang“ nennen; man kann auch, mit oder obne „Normentheorie“, 
zu jedem eine Pflicht des Handelns oder Unterlassens sich vorstellen, deren Er- 
füllung dadurch gesichert würde. Gleichwohl werden wir die Strafgesetze nicht 
unter die Zwangsmittel rechnen, der Kontraktsklage vergleichbar oder sonst einem 
Erfüllungszwang. Sie sind Rechtsordnung, Zwangsmittel kann nur sein, was unter 
der Rechtsordnung wirkt. Die Unterscheidung von Polizeistrafe und Polizeizwang, 
die wir in Bd. I durchgeführt haben, war eine Notwendigkeit. 
— Die Ahndung, die im einzelnen Falle für eine etwaige Pfichtverletzung 
„in Aussicht gestellt wird“, das ist unsere Zwangsstrafe, wie wir sie Bd.I 
S. 284 ff. u. 889 besprochen haben und ebenso hier oben S. 331f. Sie ist selbst- 
verständlich Zwangsmittel im richtigen Begriff, und zwar liegt allerdings der 
Druck, der hier geübt werden soll, der Zwang, schon in der Androhung. Das 
Gesetz, welches gestattet, Zwangsstrafen anzudrohen, ist seinerseits ein Zwangs- 
mittel so wenig wie das Strafgesetz. Jedenfalls handelt es sich bei all dem um 
keine Disziplinarstrafe. 
— Bei der Disziplinarstrafe spielt die Androhung eine Rolle weder im 
einen noch im anderen Sinne. Eine rechtssatzmäßige Androhung, nach 
der die Strafe verwirkt würde im Einzelfall, gibt es hier nicht. Es gibt all- 
gemein gehaltene gesetzliche Ermächtigungen zur Strafverhängung, um davon 
nach Ermessen Gebrauch zu machen. Das bedeutet für die bestimmte Handlung . 
nicht einmal etwas wie einen „psychologischen Zwang“. Disziplinarstrafen können 
aber auch stattfinden ohne alles dahin zielende Gesetz, einfach auf Grund des 
Dienstverhältnisses; vgl. unten Note 39. Solche verschwommene Möglichkeiten 
kann man doch im Ernste nicht schon als Erfüllungszwangsmittel begrüßen! Mit 
der Androhung der Disziplinarstrafe im einzelnen Falle aber nach 
dem Muster der Zwangsstrafe ist es schon gar nichts. Der Vorgesetzte wird unter 
Umständen Gelegenheit nehmen, zu bemerken, daß solche Dinge zu einer Disziplinar- 
strafe führen können; aber es gehört in keiner Weise zum Rechtsinstitut, daß 
das geschehe. Die Disziplinarstrafe überfällt den Schuldigen auch obne weiteres, 
sobald der Vorgesetzte, und wer sonst noch mitzuwirken hat, findet, es sei Zeit, 
die bessernde Hand anzulegen. Die Möglichkeit, durch eine derartige Bemerkung 
einen Druck auszuüben in der Richtung auf ein besseres Verhalten, sogar auf 
Erledigung eines einzelnen Geschäfts, vermag unter Umständen ein eigentliches 
Zwangsmittel zu ersetzen (vgl. unten $ 61 Note 40). Auch die Androhung der 
Kündigung eines Darlehens kann so verwendet werden und diese Kündigung ist 
‚deshalb doch nicht selbst Zwangsmittel im Rechtssinne.
	        
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