338 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Militärstrafgesetzbuch *°. Was aber einfache Disziplinwidrigkeit
ist und mit Disziplinarstrafe zu ahnden, braucht keine gesetzliche
Grundlage, die von selbst gegebenen Mittel genügen, das Gesetz
hat sich auch nicht regelnd eingemischt. Die Kommandogewalt
bringt, soweit es nötig scheint, eine gewisse Ordnung in diese
Dinge und zwar auf ihre Art: durch Armeeverordnung,
d. h. eine kraft militärischer Dienstgewalt erlassene
Verwaltungsvorschrift, um die Vorgesetzten zu binden, welche
jene Disziplinarstrafmittel handhaben, und die Untergebenen, welche
sie erdulden *!,
2. Die Art und Stufenfolge der als Strafe zuzufügenden Übel,
der Disziplinarstrafmittel, ist für das deutsche Beamten-
recht im wesentlichen überall übereinstimmend geordnet.
Als Disziplinarstrafen sind schon anzusehen die formlosen
4 Hecker in Wörterb. d. V.R. II S. 106, spricht hier von „Dienstpflicht-
verletzungen, welche eine öffentliche Strafe nach sich ziehen“ und so „in die
Reihe der Kriminalverbrechen resp. Vergehen aufgenommen sine“. Öffentliche
Strafe, die zugunsten der öffentlichen Gewalt ausgesprochen wird, wäre auch die
Disziplinarstrafe; Hecker versteht es hier im; Sinne von rechtssatzmäßig an-
gedrohter Strafe. Sie findet nach ihm bei den Beamten statt für solche Pflicht-
verletzungen, welche zugleich „die öffentliche Rechtsordnung verletzen“, bei
Pflichtverletzungen von Soldaten kann sie auch ohne das angeordnet sein. Die
Formel ist nicht glücklich. Warum werden jene dafür angesehen, die öffentliche
Rechtsordnung zu verletzen? Weil sie unter rechtssatzmäßige Strafe gestellt sind.
Man hat sie unter rechtssatzmäßige Strafe gestellt, weil das Gemeinwohl erfordert,
daß die so ausgezeichneten Pflichtverletzungen gleichmäßig immer und überall
nicht sein sollen, unabhängig von Zweckmäßigkeitserwägungen. Das gilt aber für
die Dienstvergehen des Soldaten wie des Beamten, nur ist für die Pflichtverlet-
zungen des ersteren das Gemeinwohl noch empfindlicher, daher die Ausdehnung
der rechtssatzmäßigen Strafbarkeit, d. lı. der Form des gemeinen Strafrechts, im
(regensatz zum disziplinarischen.
* Die Disziplinarstrafordnung für das Heer v. 31. Okt. 1872 hat
im Beamtenrecht kein Seitenstück. Man mag sie der äußeren Erscheinung nach
und dem tatsächlichen Erfolge nach mit Laband, St.R. IV S. 158, „ein zweites
Militärstrafgesetzbuch“ nennen, „das gleichsam für leichtere Fälle die Ergänzung
des eigentlichen bildet“. Aber auch das erstere nur gleichsam! Ein Gesetz ist
sie weder im formellen noch im materiellen Sinne. Für eine Rechtsverordnung
fehlt die gesetzliche Delegation. Es ist eine „Verordnung praeter legem“ (Laband
a. a. 0.5. 23), eine „Verwaltungsverordnung“, Verwaltungsvorschrift, die der König
von Preußen als Kontingentsherr und kraft der Dienstgewalt erläßt, als solche im
Preußischen Armeeverordnungsblatt richtig kundgemacht. Ähnlich die Verordnung
über die Ehrengerichte (vgl. unten Note 48), — Dietz, Die Disziplinarstf.Ord.
S. 4, erklärt diese für eine Rechtsverordnung; sie sei „Ausfluß der allgemeinen
Regierungsgewalt“ und deshalb nach Gutdünken verkündbar. Aber ein derartiger
Ausfluß gibt eben keine Rechtssätze; solche hängen immer irgendwie am Gesetz.