Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 45. Die Dienstgewalt. 341 
3. Die Disziplinarstrafe setzt eine Verfehlung voraus, ein 
zu mißbilligendes Verhalten, das sich der Dienstpflichtige zu Schulden 
kommen läßt gegenüber den Pflichten, welche ihm obliegen. Aber 
sie wird dadurch nicht verwirkt in dem Sinne wie die rechts- 
satzmäßigen Strafen, gemeine Strafe, Polizei- und Finanzstrafe, 
sonst verwirkt werden: es handelt sich nicht darum, daß sie nun 
auch verhängt werden müßte mit der entsprechenden Gebunden- 
heit der vollziehenden Gewalt*. Vielmehr gibt die Tatsache der 
vorgefallenen \erfehlung nur der Behörde dem Schuldigen gegen- 
über dieses Machtmittel in die Hand, um die etwa notwendig er- 
scheinende Besserung des Dienstes ins Werk zu setzen. Ob sie 
davon Gebrauch machen soll und in welcher Gestalt, das ist Sache 
der Erwägung der dienstlichen Zweckmäßigkeit°”. Die 
Disziplinarstrafgewalt trägt nicht jene Binde der Gerechtigkeit vor 
den Augen, um nur durch eine enge Öffnung den Ausschnitt aus 
der Wirklichkeit zu sehen, der den Tatbestand der Verfehlung 
bildet. Sie berücksichtigt die bisherigen Verdienste und die Hofl- 
nungen für die Zukunft, welche der Fehlende darbietet, die 
licher Zwangsdienstpflicht dienen (vgl. oben $ 44 Note 32), gibt es allerdings auch 
eine reinigende Disziplin, die nur in der Diszipl.Stf.Ord. nicht vorgesehen ist: 
die Entlassung mit schlichtem Abschied oder Entfernung aus dem 
Offiziersstande auf Grund eines ehrengerichtlichen Spruches (Verord. über 
d. Ehrengerichte v. 2. Mai 1874 8 51 ff., als Dienstvorschrift veröffentlicht; 
Dietz in Wörterb. d. St. u. Verw.R. UI S. 865). Nicht zu verkennen ist, daß die 
schlechthin freistehende Zur-Disposition-Stellung auch dazu dienen mag, für 
minder schwere Dienstwidrigkeiten die reinigende Disziplin entbehrlich zu machen. 
“ R.G.B. $ 72: „Ein Reichsbeamter, welcher die ihm obliegenden Pflichten 
verletzt, begeht ein Dienstvergehen und hat die Disziplinarbestrafung verwirkt“ — 
scheint mir nicht bloß unschön formuliert (Laband, St.R.1 S. 488), sondern im 
letzten Wort auch unrichtig; von der verwirkten Strafe kann bloß Abolition oder 
Begnadigung befreien. Die Disziplinarstrafe wird so wenig „verwirkt“ wie die 
Zwangsstrafe; vgl. oben Bd. I S. 287. 
% Laband, St.R. I S. 488: „Ein Recht, keine juristische Pflicht des 
Staates“ — aber, um alles, kein „Privatrecht“ des Staates, wie die in der Note 
dort angezogene Stelle bei Heffter versichert; vgl. oben Note 36. Sey del, 
Bayr. St.R. II S. 273: „Dieser Rechtsanspruch ist lediglich Rechtsanspruch; seine 
Geltendmachung steht mithin zur freien Verfügung des Inbabers. Ob ein Ver- 
brechen vor dem Strafrichter verfolgt werden soll oder nicht, ist keine Frage des 
Ermessens; ob wegen Verletzung der Dienstpflicht eingeschritten werden soll, 
hängt davon ab, ob derjenige, welcher das öffentliche Interesse nach dieser 
Richtung wahrzunehmen hat, es in diesem Interesse gelegen findet, mit der Rechts- 
verfolgung vorzugehen.“ Die Bezeichnung Rechtsanspruch für das, was die Obrig- 
keit mit freiem Ermessen vorkehren kann, ist wieder allzusehr mit privatrechtlicher 
Denkweise erfüllt.
	        
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