$ 45. Die Dienstgewalt. 345
Punkte, der ihren Aussprüchen gemeinsam zugrunde liegt, in der
Feststellung des Tatbestandes. In dieser Hinsicht verdient das
Strafgericht mit seinem gründlichen, von allen Garantien umgebenen
Verfahren ein besonderes Ansehen und Vertrauen. Deshalb recht-
fertigt es sich, die nachfolgende Disziplinarentscheidung an seine
Feststellungen zu binden und andererseits auch zu bestimmen, daß
das Verfahren, das zu ihr führen soll, nicht vorwärts gehe, falls
ein gerichtliches Verfabren ins Werk gesetzt ist, sondern damit
zugewartet werde, bis jenes sich erledigt hat: gegebenenfalls wird
dann eben seine Feststellung noch zu benutzen sein °®.
Die Verschiedenheit der Disziplinarstrafe von der gemeinen
Strafe äußert sich auch darin, daß die für diese geltende Ver-
jährung auf sie keineswegs von selbst Anwendung findet. Ist
also nichts bestimmt, so gibt es überhaupt keine Verjährung.
Andererseits werden Verjährungsbestimmungen, die für die
Disziplinarstrafe gegeben werden, die Möglichkeit etwaiger Straf-
verurteilung wegen desselben Tatbestandes nicht außer Augen lassen,
sondern sich derart anpassen, daß ein also Verurteilter niemals
wegen dort eingetretener Verjährung disziplinarisch unverfolgbar
bleibt 5%, —
Gilt nach dem Gesagten der Satz ne his in idem nicht zwischen
Disziplinarstrafen und gemeinen Strafen, so gilt er doch zwischen
Disziplinarstrafen unter sich: der gleiche Tatbestand kann
6 Von selbst versteht sich eine solche Gebundenheit des Disziplinar-
verfahrens nicht; es kommt darauf an, wie weit das Gesetz in dieser Hinsicht
gehen soll. So mit Recht gegen die herrschende Übung v. Iheinbaben, Preuß.
Diszipl.Ges. S. 110 ff. Vorwiegend beschränkt sich das Gesetz darauf, Ein-
stellung des Verfahrens anzuordnen bis zur Beendigung des gerichtlichen und Ge-
bundenheit an die Feststellungen des freisprechenden Strafurteils: Preuß, Diszipl.-
Ges. $$ 4 u. 5; R.B.G. 88 77 u. 78; Bayr. Beamtenges. Art. 115 u. 116. — Wo
die Disziplinarstrafgewalt statt durch Gesetz oder gleichwertige Verordnung durch
einfache Dienstvorschrift geregelt ist, kann auch diese die Bindung an das Straf-
urteil bewirken. So in weitgehender Weise Ehrengerichtsverord. v. 15. Juli 1910
Ziff. 3 Abs. 4: „Tatsachen, welche auf Grund strafgerichtlichen Urteils feststehen,
dürfen im chrengerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeprüft werden“.
5% Meist ist über „Verjährung“ nichts vorgesehen. — Eine Ausnahme bildet
Bayr. Beamtenges. Art. 115 (5 Jahre, bei konkurrierendem Strafgesetz entsprechend
diesem). ‚Vgl. aber auch Preuß. Diszipl.Stf.Ord. f. d. Heer v. 31. Okt. 1872 $ 44:
„Strafbare Handlungen, welche nur der Diszipl.Strafe unterliegen, dürfen drei
Monate nach der Verübung nicht mehr mit Strafe belegt werden“. Diese Aus-
drucksweise entspricht der Eigenart der Verwaltungsvorschrift (vgl. oben Note 41),
wenn sie für ihren Bereich das erzielen will, was beim gemeinen Strafrecht die
Verjährung bedeutet.