374 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Auch hier zeichnen die Haftungen des Rechnungswesens sich
aus durch ihr unverkennbares Öffentlichrechtliches Gepräge und
durch die grundsätzlich größere Strenge der Inanspruchnahme °".
Von diesen Haftungen des Rechnungswesens und von der
Frage der bürgerlichrechtlichen Schadensersatzpflicht aus uner-
laubter Handlung, die hinter den verschiedenartigen Regelungen
des Haftungsverhältnisses überhaupt steht, soll nun noch genauer
gesprochen werden.
wenn sie privatrechtlich gedacht sind, neben dem B.G.B. den Fortbestand frei.
Darauf beruft man sich denn auch, um A. L.R. II, 10 $ 88 ff. noch anzuwenden,
was überflüssig wäre, wenn es sich um eine öffentlichrechtliche Ordnung handelte:
R.G. 25. Jan. 1904 (Entsch. LVI S. 340. Sehr mübselig R.G. 26. Juni 1906
(Entsch. LXIII S. 431). Dort lag der Fall zugrunde, daß ein preußischer Eisen-
bahnbeamter auf dem Güterbahnhof zu Barmen einen anderen verletzt hatte; der
Eisenbahnfiskus hatte während der Krankheit des Letzteren die Kosten seiner
Vertretung bestritten und klagte den Betrag gegen den Täter ein. Es wird nun
zunächst überflüssigerweise ausgeführt, daß c. c. Art. 1382 u. 1383 (außerkontrakt-
liche Schädigung) für das Rheinland „auch im Gebiete des öffentlichen Rechts
nicht mehr gelten“ (auf welchem diese zivilrechtlichen Bestimmungen doch nie
gegolten haben). Sodann wird festgestellt, daß A. L.R. II, 10 $ 88ff. dort, weil
niemals publiziert, nicht anwendbar seien. Mit B.G.B. $ 823ff. wäre natürlich
bei diesem Tatbestande nichts anzufangen gewesen. Aber die Klage wird dadurch
gerettet, daß „das Staatsbeamtenverhältnis zwar öffentlichrechtlicher Natur ist“,
aber „nicht nur für den Beamten, sondern auch für den Staat privatrechtliche
Wirkungen hervorbringt, insoweit also quasikontraktlicher Natur ist“ (1), welche
Wirkungen „in Ermangelung positiver Gesetzesbestimmungen und aus der öffent-
lichrechtlichen Natur des Beamtenverhältnisses sich ergebender Ausnahmen nach
Analogie des Dienstvertrages zu beurteilen sind“. Allein wie soll das ein
öffentlichrechtliches Verhältnis sein, das zwischen den Beteiligten privatrechtlich
wirkt? Das Beamtenverhältnis wird in Wahrheit hier ganz als zivilrechtliches
Dienstverhältnis beurteilt, soweit nicht, wie im Rechnungswesen, das öffentliche
Recht sich gar zu aufdringlich bemerkbar macht. Das ist der Standpunkt des
18. Jahrhunderts. — Im Sinne der Reichsgerichtsentscheidungen auch Brand,
Beamtenrecht S. 579: Die Haftung des Beamten dem Staat gegenüber regelt sich
nach A.L.R. II, 10 $ 88 oder, soweit das nicht gilt, „nach den Vorschriften des
B.G.B. über den Dienstvertrag und über den Schadensersatz“.
Ganz privatrechtlich, sobald es über den engsten Kreis des Rechnungs-
wesens hinausgeht, faßt die Frage das Sächsische Recht: Nippold in Sächs.
Arch. f. bürg. R. U, Erg.Hft. S. 50.
#0 Sobald es über die Haftung der Kassebeamten hinausgeht, beginnen wieder
die Zweifel und die Rücksichten. So O. Schwarz, Formelle Finanzverwaltung
S.160: „Bei der Konstruierung einer zivilrechtlichen Haftpflicht für dieAnweisungs-
beamten wegen der durch ihre Handlungsweise entstandenen Schädigungen der
Staatskassen ist aber nicht zu übersehen, daß eine zu rigorose Regreßpflicht die
Initiative der Beamten zum Schaden der Sache lähmen würde, der Gesetzgeber
hier also nur mit großer Vorsicht vorgehen darf.“