408 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Überdies wirkt die Vergangenheit, wie auch sonst, mannigfach
nach, indem sie die Auffassung der neuen Rechtsinstitute beeinflußt.
Insbesondere der Verwaltungsakt ist natürlich wieder gefährdet.
3. Die Neuentstehung einer Vorzugslast vollzieht sich auf
zweierlei Art.
Die Formen von Rechtssatz und Verwaltungsakt können ver-
wendet.werden, um eine solche Last den dadurch Bezeichneten auf-
zulegen ohne Rücksicht auf ihre Zustimmung kraft der gesetz-
lichen Grundlage, die den Eingriff rechtfertigt: auferlegte
Vorzugslast.
Die gesetzliche Grundlage kann aber, wie wir sahen, bei
manchen Eingriffen in Freiheit und Eigentum dadurch. ersetzt
werden, daß der Betroffene diesem Eingriff zustimmt, dem Ver-
waltungsakt, der ihn auferlegt, sich unterwirft®. Die Vorzugs-
lasten geben dieser Begründungsform ein Anwendungsgebiet: es
gibt übernommene Vorzugslasten.
— Bei der ersten, der auferlegten Vorzugslast, kann
die gesetzliche Grundlage so gegeben sein, daß das Gesetz selbst
durch den von ihm aufgestellten Rechtssatz oder durch den
Rechtssatz der Verordnung oder des Statuts innerhalb der ihnen
eingeräumten Zuständigkeit die Belastung entstehen läßt®. Der
Tatbestand, an welchen dieser Rechtssatz die Entstehung der
verpflichten zu Vorzugsleistungen für die Besoldung eines Geistlichen, Kultus-
baulast, Schulbedarf, auch zur Haltung von Zuchtstieren: Württemb. Arch. f. R.
3X S. 372; Bl. f. adm. Pr. 1877 S. 33 ff. — Die Frage, ob solche Verpflichtungen
als öffentlichrechtlich oder als privatrechtlich anzusehen seien, taucht erst in der
neueren Zeit auf. In Bl. f. adm. Pr. 1884 S. 383 ff. und in O0.V.G. 2. Dez. 1887
(Entsch. IX S. 287) wird sie damit zu lösen gesucht, daß man „dingliches Recht“
und „öffentliches Recht“ als die maßgebenden Gegensätze erklärt; dingliches Recht
wäre immer auch privatrechtlich. Richtig ist, daß aus früherer Zeit wohl nur
am Grundbesitz haftende Leistungspflichten, Reallasten, sich auf die unsere ver-
erbt haben werden und daß diese ursprünglich stets als privatrechtlich angesehen
worden sind. Wie wir sie jetzt ansehen, das hängt davon ab, wie die öffentliche
Gewalt daran beteiligt ist; wir haben für unsere Würdigung freie Hand. Von
dem, was danach als. öffentlichrechtlich erfunden werden muß, sagt Gierke,
D. Pr.R. II S. 713, mit Recht, das seien „für das geltende Recht überhaupt nicht
Reallasten im technischen Sinne und somit den Vorschriften des bürgerlichen
Rechts über Reallasten nicht unterworfen“.
6 Vgl. oben Bd. I S. 100 Note 12, S. 372 u. 387; hier $42, III u. Note 21.
° Hier ist auch der Platz, wo altes Gewohnheitsrecht gern noch wirksam
wird. Dagegen sind die großen Ermächtigungen der Polizeigewalt (oben Bd. I
S. 217 Note 13) nicht verwendbar: Erzielung nützlicher Leistungen durch obrig-
keitlichen Zwang ist nicht Polizei (a. a. O. S. 234). So unterscheidet sehr klar
Seydel, Bayr. St.R. III S. 307.