412 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
last als der von der staatlichen Polizeibehörde zu erzwingenden
Last !®,
Heute denken wir uns den ganzen inneren Aufbau eines solchen
Rechtsgeschäfts anders: Handelt es sich wirklich um einen öffent-
lichrechtlichen Vorgang, so tritt darin das Gemeinwesen nicht mehr
zwiespältig auf, sondern sein Handeln bildet eine dem öffentlichen
Recht zugehörige Einheit. Das Rechtsgeschäft kommt zustande
durch einen in seinem Namen erlassenen Verwaltungsakt, dem
.der andere, der zu Verpflichtende, sich unterwirft — die be-
kannte Form des „öffentlichrechtlichen Vertrags“ '.
13 Vgl. oben $ 47 Note 2. Ohne den Beitritt der Behörde bleibt das Ab-
kommen „nur privatrechtlicher Natur“, wirkt nur zwischen den Beteiligten, nament-
lich zur Begründung von Erstattungspflichten: O.V.G. 15. Mai 1895 (Entsch.
XXXVIUH S. 223). Ein „besonderer öffentlichrechtlicher Titel“ für die Wegebau-
pflicht entsteht nicht schon durch die Erklärungen der Beteiligten, sondern erst
„bei hinzutretender Billigung der zur Aufsicht und zur Fürsorge für das be-
treffende öffentliche Rechtsgebiet berufenen Staatsbehörde*: O.V.G. 19. Sept. 1894
(Entsch. XXVIII S. 231). Öffentlichrechtliche Wegebaupflicht ist von Privaten
„nur mit Zustimmung der Wegepolizeibehörde zu übernehmen“: O.V.G. 14. Mai
1898 (Entsch. XXXIL S. 289). — Es braucht nicht unbedingt die Polizeibehörde
zu sein; wenigstens die landesherrliche Bestätigung eines Erbpachtvertrags, in
welchem Wegebaulasten übernommen werden, tut die gleiche Wirkung: O.V.G.
24. Sept. 1906 (Entsch. L S. 298). — Einen Lastübernahmevertrag kann die Er-
sitzung des Rechts auf die Leistung vertreten: O.V.G. 20. Mai 1898 (Entsch.
XXXV S. 199): Der Gutsherr hat stets das erforderliche Holz für das Schulhaus
geleistet; daraus soll nach Ansicht des Gerichts nur ein privatrechtliches Ver-
hältnis entstehen. Wenn aber die Behörde, welche das öffentliche Unternehmen
leitet, die Leistung anzunehmen und zu fordern pflegte, dann müßte wohl auch
ihre Zustimmung genügend hinzugekommen sein. Dies scheint die Auffassung
von O.V.G. 19. Sept. 1834 (Entsch. XXVIII S. 231) zu sein: Die Billigung der
Behörde macht den Vertrag der Beteiligten zu einem öffentlichrechtlichen Titel mit
derselben Wirkung, „wie sie der ihrem Wesen nach auf der Selbstbestimmung der
Beteiligten beruhenden Observanz zuzugestehen ist“. Hier handelte es sich aller-
dings um Wegebaulasten; in dem vorigen Fall, wo Leistungen für eine Schule in
Frage standen, scheint das O.V.G. nichts der Wegepolizeibehörde Gleichwertiges
finden zu können und kommt wohl nur deshalb «ber die privatrechtliche Wirkung
der Observanz nicht hinaus.
Vgl. oben Bd. I S. 100 u. 104. — Diese neuere Auffassung äußert sich
zunächst darin, daß man von dem „Vertrag zwischen den Beteiligten“ ganz ab-
sieht und die Last einfach entstehen läßt durch „Erklärung gegenüber der Polizei-
behörde*: 0.V.G. 7. Okt. 1896 (Entsch. XXX S. 253); Sächs. Min. d. Inn. 9. Nov. 1900
(Fischers Ztschft. XXII S. 224). Das rechte Gefühl für den Wert des Verwaltungs-
aktes fehlt noch; die alte Zeit konnte sich mit dem schweigenden Kopfnicken der
allmächtigen Polizeibehörde begnügen; das war schon ein „Befehl“. Im Rechtsstaat
muß die Behörde einen Ausspruch tun, wenn sie bestimmen will, wag Rechtens
ist; es gibt keinen stillschweigenden obrigkeitlichen Akt (vgl. oben Bd. I S. 246).