$ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten. 427
— Die zweite Art, wie Verbandlast und juristische Persönlich-
keit zusammenkommen, ergibt sich aus der Begrenzung des Kreises
der für die staatliche Last Verbundenen auf den Gebietsumfang
eines Selbstverwaltungskörpers, einerGemeinde. Wodie Gemeinde
früher und kräftiger entwickelt ist, in Süd- und Westdeutschland
vor allem, kommt die ganze Ordnung der Lastenverbände überhaupt
nicht zu solcher Geltung. Anderwärts aber setzt sie sich als das
jüngere Gebilde daneben, getragen von der Idee des Gemeinwesens
nach dem Muster der Städte, mit einer einheitlichen öffentlichen
Gewalt für alle gemeinsamen Angelegenheiten dieser Menschen-
gemeinschaft. Wie das allmählich erstarkt, bewährt es eine
natürliche Anziehungs- und Aufsaugungskraft gegenüber den Last-
verbänden, mit welchen es äußerlich zusammentriftt. Dem Grade
nach — nicht der geschichtlichen Entwicklung nach — können wir
drei Stufen unterscheiden:
Der Staat kann sich zur Durchführung der ihm geschuldeten
Last der Gemeindeobrigkeiten bedienen. Dann treten
„kraft öffentlichen Rechts dem Staate zur Erfüllung ihres Zweckes verpflichtet
ist“ (Rosin in Annalen 1883 S. 291 ff. u. Öff. Genossensch. 8. 18), so gehört gar
vieles dahin, auch diese beigegebene fiskusartige Persönlichkeit. Versteht man
darunter, wie wir tun (vgl. unten $ 55, II n. 3), eine juristische Person, die dazu
da ist, öffentliche Verwaltung zu führen, so stimmt das hier nicht, sofern der
Staat sie hier sehr sorgfältig davon ferngehalten hat, sich in die Verwaltung des
öffentlichen Unternehmens einzumischen,
Eine gute Schilderung des um die juristische Person eines Schulverbandes
sich bildenden Rechtszustandes bei Schneider u. Bremen, Volksschulwesen
0 S.62ff. Die Schule selbst, die Hauptsache, wird ganz von staatlichen Behörden
geordnet und geleitet, namens des Staates, nicht namens des Verbandes; auch die
Bedürfnisse werden von Staats wegen festgesetzt. Die aufgebrachten Mittel ge-
hören der juristischen Person des Schulverbandes, so lange sie nicht verwendet
sind. Aber diese hat nicht einmal eine ständige Vertretung außerhalb der staat-
lichen Behörde; nur im Bedarfsfalle werden „Repräsentanten“ berufen, die dann
lediglich über Angelegenheiten der Vermögensverwaltung beschließen: Veräußerung
und Erwerb von Grundstücken. Neubauten (über deren Notwendigkeit sie nicht
entscheiden), Gehaltszulagen und Gratifikationen. Sie sind Kuratoren einer Ver-
mögensmasse, die bei ihrem Zwecke zu erhalten ist, aber sie verwalten keine
Schule. — Den Gegensatz, um den es sich hier handelt, hat Gierke, Gen.R. I
S. 766, in vortrefllicher Weise gezeichnet bei der preußischen Kirchengemeinde
alten Stils: sie sind „bloße Kirchenverwaltungssprengel uhne eigenes Leben und
ohne eine kirchliche Persönlichkeit“, aber es wurde den Pfarrkindern doch „in
der Regel eine privatrechtliche Persönlichkeit zugestanden und als Äquivalent für
die ihnen auferlegten Kirchenlasten ein selbständiges Recht am Kirchenvermögen
und eine Teilnahme an dessen Verwaltung“. Die Pfarrei ist ein Lastenverband
mit privatrechtlicher juristischer Persönlichkeit. Das ist die Lieblingsgestalt des
Folizeistaates, die er überall zu verwenden weiß.