Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen. 449 
Entschädigung, denn: qui jure suo utitur neminem laedit®®. Auch 
dieses ist polizeistaatliche Auffassung, für welche ja öffentliches 
Recht und rechtloses Gebiet gleichbedeutend sind 88, 
Daneben kam dann allmählich eine dritte Meinung auf, wonaclı 
die Verleihung allerdings ein Akt von durchaus öffentlichrechtlicher 
Natur ist, gleichwohl aber nicht bloß Pflichten, sondern auch 
Rechte des Untertanen, des Beliehenen, zu begründen vermag. Uni 
zu erklären, wie die Verleihung imstande sei, so zu wirken, legt 
man ihr Bezeichnungen bei, welche auf einen besonderen Zusammen- 
hang hinweisen mit der Hauptquelle alles Rechtes, mit dem Gesetz. 
So entstand die Lehre: die Eisenbahnkonzession sei ein Akt der 
Gesetzgebung, ein Spezialgesetz, ein Privilegium®*, 
Mit dem Gesetzesbegriff unseres neuzeitlichen Staatsrechts läßt sich 
das offenbar nicht vereinigen. Denn Gesetz im materiellen Sinne, 
Rechtssatz, ist die Verleihung selbstverständlich nicht. Gesetz 
im formellen Sinne kann sie sein; das ist aber keineswegs wesentlich 
für sie. Es hängt davon ab, daß nach dem geltenden Recht Ver- 
leihungen dem Gesetze vorbehalten sind oder das Gesetz außer- 
ordentlicherweise einen. solchen Fall an sich zieht und selbst 
behandelt. Regelmäßig ergehen die Verleihungen nicht in dieser 
Form, sondern werden einfach von den Behörden, vielleicht auch 
vom Staatsoberhaupt, in den Formen ihrer sonstigen Verfügungen 
erlassen. 
Es handelt sich auch bloß um einen an das Gesetz erinnernden 
Namen, woran man so hartnäckig festhält. Sachlich kommt gar 
32 Dies ist der Standpunkt des Schweizerischen Bundesrates in der Botschaft 
über Eisenbahnwesen v. 16. Juni 1871; vgl. oben Note 5. Ebenso Seiler, 
Rechtl. Natur der Eisenbahnk ion S. 24. 
*3 Vgl. oben Bd. I S. 48 u. 110 Note 7. 
% Meili in Ztschft. £. H.R. XXIV S. 359: Die Eisenbahnl ion ist 
„kein Vertrag, sondern ein einseitiger Hoheitsakt des Staates; sie ist ein Gesetz 
für einen konkreten Fall, ein Privilegium“. Koch, Deutschlands Eisenbahnen 
II S.489; Gleim, R. der Eisenb. I S. 77; Tezner, in Arch. f. öff. R. IX S. 539 
Heusler, Rechtsgutachten zum Broyetalbahnstreit S. 9; Seiler, Rechtl. Natur 
der Eisenb.Konz. S. 28; Eger, Eisenb.R. I S. 98; ders., Kleinbahnenges. S. 32 
u.35#.; Fritsch in Wörterb. d. St. u. Verw.R. I S. 661; ders., Handb. d. 
Eisenb.Gesetzgebung S. 12. Etwas schwankend Endemann, R. d. Eisenb. S. 280 
bis 282: Die Konzession ist „nicht ein nach den Grundsätzen des Privatrechts zu 
beurteilender Vertrag“; das daraus entstehende Verhältnis ist zwar als „ein ver- 
tragsmäßiges zu bezeichnen“; allein ihrem Wesen nach ist die Konzession ein 
„Verwaltungsakt“; sie ist „für den Erwerber ein Privileg“ ; doch „als Spezialgesetz 
darf sie nicht behandelt werden‘. 
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsrecht. Il. 2. Aufl. 29 
 
	        
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