508 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Der Tarif erzeugt also keine rechtliche Zahlungs-
verbindlichkeit, weder eine privatrechtliche, noch eine Öffent-
lichrechtliche, nicht durch Rechtssatz, noch durch Vertrag, noch
durch Verwaltungsakt, noch kraft Gewaltverhältnisses. Das alles
gibt es hier nicht. Die Anstalt muß ohne Vermittelung durch ein
solches vinculum juris zu ihrer Gebühr kommen. Das tut sie, in-
dem ihre Beamten dienstauftragsgemäß in jedem Einzelfall die
Ansteltsleistung verweigern oder verhindern, wo die Gebühren-
entrichtung unterbleibt. Da die Leute das wissen, vollzieht sich
diese Entrichtung glatt und regelmäßig mit großer Sicherheit®®.
Die Anstalt kommt tatsächlich in den Besitz der Gebühr. Dieser
Erwerb verbleibt ihr auch unentziehbar. Von einer Bereicherungs-
klage des bürgerlichen Rechts, auf dessen Boden das Verhältnis
sich nicht bewegt, ist abzusehen. Wenn für das öffentliche Recht
ein entsprechender Rückerstattungsanspruck nach Rücksichten der
getadelte Unterscheidung von „Anstaltsverpflichtungen“ und „Gebührenpflicht“,
der „Dualismus“, wie er es nennt, bleibt also bestehen; denn die „Differenzierung
der maßgebenden Momente“ für die Begründung des einen und des anderen liegt
in der Sache selbst. Nawiasky rechnet auch die Gebühren zu der durch die
Macht der Tatsachen gegebenen Anstaltsgewalt: auch ihre Regelung fällt „in das
ureigenste Herrschaftsgebiet der Anstaltsordnung, die dabei insoweit frei verfügen
kann, als es der Zweck und die Bestimmung der Anstalt verlangen“ (a. a. 0.
8. 39). „Da die Gebühr aus dem Wesen des modernen Anstaltsrechts folgt,
bedarf sie keiner besonderen gesetzlichen Norm als Basis, sie kann vielmehr vom
Herrn der Anstalt ohne weiteres in der Anstaltsordnung geregelt werden“ (S. 19.
S.40). Nawiasky erleichtert sich diese Ansicht durch eine starke Aufbauschung
jenes Billigkeitszusammenbanges zwischen Gebühr und Anstaltsleistung: die Ge-
bühr ist keine Vermögensminderung, da sie ausgeglichen wird durch das in der
Anstaltsleistung liegende Äquivalent, folglich ist ihre Auferlegung kein Eingriff
in das Eigentum und kann selbständig im Verwaltungswege geschehen (S.41/40).
Da müßte man ja auch enteignen und öffentliche Dienstbarkeiten auferlegen
können ohne Gesetz, wenn man nur das „Äquivalent“ zahlt.
Recht hat Nawiasky insofern, als der „Dualismus“ in der 1. Aufl. I
S. 341 einen unrichtigen Ausdruck gefunden hatte. Ich konnte mir die Gebühren-
erhebung — gut zivilrechtlicherweise — nicht anders denken als vermittelt durch
eine woblbegründete Zahlungspflicht, die durch Rechtssatz oder Verwaltungsakt
auf Unterwerfung aufzulegen war; für diesen letzteren Fall bedurfte ich noch
eines geschäftsfähigen Willens auf seiten des Gebührenschuldners. Das halte ich
nicht mehr aufrecht. Der Gegensatz zur Anstaltsgewalt liegt in der Richtung,
daß bei (ebührenerhebung das rein Tatsächliche noch mehr betont ist als dort.
°* Vgl. die Ausdrucksweise in Posttaxges. 8 2: „Der Postverwaltung bleibt
überlassen, einen Zuschlag zu nehmen.“ Und entsprechend der kategorische
Befehl der Verwaltungsvorschrift Post-Ord. $ 7 Abs. 7: „Für Postkarten wird
dem Empfänger das Doppelte angesetzt.“ Via facti!