596 Das Recht der besonderen Schuldverbältnisse.
recht!‘ Die Staatsgewalt kann dem Untertan, wenn sie es für
erforderlich hält zur Erfüllung ihrer Aufgaben, das Seinige weg-
nehmen oder zerstören, oder ihn sonst ungleich belasten, aber sie
unterliegt dann der Verpflichtung ihn zu’ entschädigen!’”. Der
18 Geschichtliches bei Gierke, Althusius S. 291 ff.; G. Meyer, Der Staat
und die erworbenen Rechte S. 7 ff.; Anschütz, Ersatzanspr. S. 43 ff.
1? Man darf nicht glauben, daß der naturrechtliche Gedanke von Anfang an
immer schon die gleiche Gestalt gehabt hätte. Die Entwicklung beginnt für uns mit
der Lehre vom jus quaesitum, das ordentlicherweise auch der ganzen Staats-
gewalt gegenüber sakrosankt ist und nur in schweren Ausnahmsfällen (si urget
publica necessitas) vermöge des jus eminens beseitigt werden kann, dieses selbst-
verständlich nur gegen vollen Ersatz des dadurch angerichteten Schadens (vgl. oben
Bd.1S.19 u.34). Jene Unantastbarkeit des jus quaesitum beruht auf dem obersten
Berufe des Fürsten, das Recht der Untertanen zu schützen (oben Bd. IS. 33); sie
erstreckt sich nur auf Werte, die durch einen bestimmten Rechtstitel der zu
schützenden Art erworben sind (speciali titulo acquisitum), nur ihre Entziehung
kommt bei dem Eingriff mit dem jus eminens in Betracht und ist durch Schadens-
ersatz auszugleichen. In diesem Sinne ist es richtig, was Anschütz, Ersatzanspr.
S. 48 ff., bemerkt: daß Hugo Grotius die Grenze der schadenserzatzpflichtigen
Eingriffe dem Gegenstande nach enger zieht als die späteren; er nennt (jus belli
et pacis II, 14 $5 7 u. 8) außer dominium nur noch das jus quod ex promisso
aut contractu quaeritur.
Anschütz (a.a.0.S.23 Note 58) spricht auch, was die Natur der Schadens-
ersatzpflicht Anlangt, nicht unzutreffend von einer „uneingestandenen Konstruktion
des jus eminens als Delikt“. Das ist wohl die Auffassung von Hugo Grotius:
Ubi enim dominium aut jus aliud alicui legitimo modo partum est, id ne sine
causa ei auferatur juris est naturalis. Contra si rex faciat, haud dubie tenetur
reparare damnum datum; facit enim contra verum jus subditi. Das jus eminens
ist nicht als eine ordentliche causa auferendi angesehen; daher die Entschädigung:
der Fürst erfüllt dem Berechtigten gegenüber seine Pflicht nicht, wenn auch aus
höheren Gründen. Diese Auffassung ist, wie wir sehen werden, längst über-
wunden; aber sie klingt immer noch nach zum Zeugnis, daß sie früher bestand.
So bei Schwab, in Arch. f. ziv. Prax. XXX S. 177 Note 186, wenn er sagt:
Das Expropristionsrecht beruht allerdings auf Gesetz, aber ist seiner Natur nach
ein „gesetzliches Unrecht“; daher die Entschädigungspflicht (Anschütz a. a. O.
macht mich irrtümlicherweise für diesen veralteten Ausspruch des von mir an-
gezogenen Schwab verantwortlich). In derselben Linie liegt es, wenn Klüber,
Off. R. $ 552, das jus eminens bezeichnet als „dieses traurige sogenannte Recht“.
Und sogar aus neuerer Zeit tritt uns die alte Lehre noch einmal entgegen bei
R.G. 7. Dez. 1898 (Entsch. XLIILS, 15), wo es von der Rayonentschädigung heißt:
„Daß es sich bei der Entschädigung des von Rayonbeschränkungen betroffenen
Grundbesitzers um einen Schadensersatz im Sinne des gemeinen Zivilrechts bandle,
also für das landrechtliche Gebiet um einen Schadensersatz im Sinne des Tit. 6
Tl. 1 A.L.R.“ (überschrieben: „Von den Pflichten und Rechten, die aus unerlaubten
Handlungen entstehen“), Das ist heller Atavismus.
namen Gegensatze zu dieser ursprünglichen Auffassung setzt die spätere das
stbare jus quaesitum sachlich außer Spiel (wenn auch der Aus-