Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

548 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 
— Einmal sind ausgeschlossen von der Entschädigungsfolge alle 
Nachteile, welche der Staat zufügt gerechterweise, so daß 
'sie ihre Rechtfertigung vor den Forderungeu der Billigkeit schon 
mitbringen. Sie stellen dann von vornherein keine ungleiche 
Belastung vor, kein besonderes Opfer. Dahin gehören alle 
allgemeinen Abgaben, Lasten und Dienstpflichten, welche der 
Staat planmäßig auferlegt, um damit die Bestimmung der Unter- 
tanen geltend zu machen, wonach sie allesamt gemäß ihrer Leistungs- 
fähigkeit aufzukommen haben für seinen Bedarf *?, 
Desgleichen alle Gebühren, Beiträge und besonderen Belastungen 
anderer Art, welche nur die Natur von Gegenleistungen haben 
wollen für besondere Vorteile, die empfangen werden (vgl. oben 
Note 11). 
Endlich alle selbstverschuldeten Nachteile: Strafen, 
Kostenersatzpflichten, Polizeimaßregeln zur Bekämpfung dar- 
gebotener Polizeiwidrigkeiten *°. 
Vergütung fordern müsse, sollte demnach kein denkbarer Einwurf sein. Er ist 
gleichwohl erhoben worden. 
#2 Wo das Gesetz in allgemeiner Weise alle Fähigen zu persönlicher Dienst- 
pflicht heranziehen läßt, ist eine Entschädigung ausgeschlossen; die Meinung des 
Gesetzes ist hier, keine ungleiche Last aufzulegen, und die ist maßgebend. So 
bei der Steuer; die preußische Kab.Ordre v. 4. Dez. 1831 (oben Note 19) führt 
das nur auf den „Akt der Souveränität“ zurück, vgl. aber unten $ 54 Note 3. 
So bei der Heerdienstpflicht. Insofern die Dienstunfähigen dabei doch einen ge- 
wissen Vorteil haben können, regt sich sofort wieder der Billigkeitsgedanke, um 
einen Ausgleich in Wehrsteuer u. dergl. zu verlangen. Geschworenen- und 
Schöffendienst lassen dem Zufall mehr Spiel; doch treffen sie nicht schwer und 
bereiten auch eine Genugtuung, die das Gesetz zunächst für ausreichend hielt; 
nur die Reisekosten wurden vergütet (G.V.G. 88 55 u. 96). Dazu die Motive 
(Hahn, Mot. IS. 62): „Eine Härte aber wäre es und würde zu erheblicher Un- 
gleichheit der Belastung führen, wenn diese Personen die Reisen zum Gerichtsort 
auf ihre Kosten machen müßten“. Inzwischen hat sich ja aber auch hier die aus- 
gleichende Entschädigung noch weiter durchgesetzt; vgl. oben $ 46 Note 34. 
“ Anschütz, Ersatzanspr. S. 62, der behauptet, daß die Lehre von der 
Entschädigung für das zugemutete besondere Opfer dahin führen müsse, bei 
„Jeder dem Einzelnen nachteiligen Reflexwirkung obrigkeitlicher Tätigkeit“ Ent- 
schädigung zu fordern, hält mir in diesem Sinne vor: „Es ist nicht einzusehen, 
warım — wenn man diese Dinge einmal gleichmäßig vom individualistischen 
Standpunkte aus betrachtet — die Räumung des baufälligen Hauses, über welches 
die Polizei ein Bewohnungsverbot verhängt hat, in minderem Sinne ein ‚Opfer‘ 
enthalten soll, wie die Hergabe desselben Hauses nach erfolgter Expropriation“. 
Das Beispiel scheint mir aber im Gegenteil sehr geeignet zu sein, den Unter- 
schied einleuchtend zu machen, ohne daß es dazu einer weiteren Erläuterung be- 
dürfte. Ein blindwütiger Individualismus, wie ihn Anschütz sich vorstellt, wird
	        
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