556 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
unsere Entschädigung nicht Platz griffe, um besonderer Umstände
willen gleichwohl eine solche geordnet ist.
I. Der Staat handelt und verfolgt seine Zwecke, auch wo er
in Form eines Gesetzes spricht. Denkbar ist, daß er auch so
die Einzelnen ungleich trifft und ungerecht belastet. Die all-
gemeine Forderung eines billigen Ausgleichs könnte sich hieran
wieder knüpfen. Allein das Gesetz hat seine Besonderheit, durch
die es sich der einfachen Anwendung jenes Grundsatzes entzieht.
Und zwar kommt die in zweifacher Hinsicht zur Geltung.
Einmal bedeutet der auf dem Wege der Gesetzgebung erzeugte
Staatswille die rechtliche Ungebundenheit!. Die Bedingt-
heiten und Vorbehalte, denen durch die bestehenden Ordnungen
die vollziehende Gewalt unterstellt ist, gelten daher für ihn nicht von
selbst, insbesondere auch nicht die Rechtsverbindlichkeiten, welche
die bestehende Ordnung an obrigkeitliche Handlungen solchen In-
halts knüpft. Es kommt vielmehr alles darauf an, inwieweit er
in dem bestimmten Falle sich daran zu halten beliebt hat. Das
ist jedesmal eine Auslegungsfrage. Mit allgemeinen Vermutungen
für die Absicht, sich zu binden, darf hier nicht gearbeitet werden.
Im Gegenteil spricht die Wahl der Form des Gesetzes für die Ab-
sicht auf volle Freiheit von dem Gewöhnlichen ?.,
Daneben kann ein zweiter Grund herlaufen: wenn nämlich das
Gesetz zugleich in Form eines Rechtssatzes spricht. Im Wesen
des Rechtssatzes liegt die gleiche Belastung aller. bei welchen
seine Voraussetzungen zutreffen. Es könnte allerdings eine un-
gleiche Belastung vorliegen im Verhältnisse zwischen den in diesem
Kreise Begriffenen und den Außenstehenden. Allein die rechtssatz-
mäßige Regelung hat auch in dieser Hinsicht die Vermutung der
! Vgl. oben Bd. I S. 69. Der Staatswille als „Gesetz im formellen Sinne*
ist legibus solutus und nur er,
? Solange die potestas legislatoria nur eine Nummer in der Liste der Jura
majestatis bedeutet, ist es selbstverständlich, daß auch ihr Gebrauch an die
nämlichen Bedingungen geknüpft wird, wie der übrigen. Der souverän ge-
wordene Staat aber spricht von „wirklichen Majestäts- und Hoheitsrechten“ bei
solchen Äußerungen seiner Gewalt, für die keine rechtliche Bedingtheit mehr
anerkannt wird (Pr. Verord. v. 26. Dez. 1808 $ 36). In diesem Sinne bezeichnet
dann die Kab.Ordre v. 4. Dez. 1831 die Gesetzgebung als Ausübung eines
landesherrlichen Hoheitsrechts, die nicht von selbst mit Entschädigungsfolge
verbunden sein kann. Oppenhoff, Ress.Verh. zu Verord. v. 1808 n. 111;
Anschütz, Ersatzanspr. S. 93. Unter Gesetzgebung war damals die Aufstellung
rechtlicher Ordnungen durch den Landesherrn verstanden. Jetzt ist das ver-
fassungsmäßige Gesetz an die Stelle getreten. Vgl. oben Bd. I S. 43 u. 58.