558 Das Recht der besonderen Schuldverbältnisse.
Bestimmung gewähren. Das geschieht dann je nachdem
durch den gesetzlichen Einzelakt selbst, der den Eingriff macht,
oder rechtssatzmäßig, wo der Rechtssatz in solcher an sich be-
freiten Weise eingreift®.
II. Die Handhabung der Zivilrechtspflege und noch mehr
die der Strafrechtspflege ist imstande, dem Einzelnen die
schwersten Nachteile zu bereiten. Das soll nur geschehen, sofern
er es verdient hat, also gerechterweise®. Aber die Justiz kann
fehlgehen, ungerecht treffen; der Justizmord ist der schrecklichste
Beleg dafür. Die Justiz muß gleichwohl stattfinden auf diese Ge-
fahr hin. Der Einzelne, den es gerade trifft, wird ein Opfer der
staatlichen Notwendigkeiten. Die Voraussetzungen der ausgleichen-
den Entschädigung sind hier gegeben’. Gleichwohl hat sich die
Justiz lange Zeit unzugänglich erwiesen für die Anwendbarkeit
solcher Grundsätze, auch nachdem sie sich für die Verwaltung
schen im breitesten Maße durchgesetzt hatten.
Der Grund dieser Besonderheit liegt wohl in der eigentüm-
lichen Art, wie man .die Justiz und ihr Werk zu betrachten ge-
wohnt ist. Das öffentliche Gewissen würde schwer bedrückt sein,
wenn man nicht annähme, daß hier, wo alles auf die Durchsetzung
des Rechts gerichtet ist, das Recht auch wirklich seine volle Be-
friedigung findet. Gelingt es an den unteren Stellen nicht gleich,
so sind die oberen dazu da, die Sache wieder einzurenken. Ist
° Für die Rayonservituten wurde vor dem Ges. v. 21. Dez. 1871 Ent-
schädigung nicht gewährt; sie entstehen unmittelbar aus dem Rechtssatz, die
Aussteinung ist bloß die Anwendung davon ohne Zutat eigenen Ermessens (vgl.
oben $ 40 Note 7). Das Reichsgesetz, das damals große Festungsneubauten im
Auge hatte, hielt es für billig, Entschädigung zu gewähren. — Den rechtssatz-
mäßig unterdrückten Privatpostanstalten sprach das Gesetz v. 20. Dez. 1899 Art. 4
Entschädigung zu. Von selbst hätte sich diese nicht verstanden.
® Also keine Entschädigung; vgl. oben $ 53, III n. 2.
” Vgl. oben $ 53 S. 539, 543. Merkel, Enzykl. $ 708 Note, bezeichnet ganz
richtig die Gesichtspunkte, die in solchen Fällen bei der Verwaltung für die
ausgleichende Entschädigung maßgebend sind: „Der Staat kann die ihm in bezug
auf die Bestrafung der Verbrecher gestellte Aufgabe nicht lösen, ohne daß viel-
fach die gegen diese gewendeten Waffen Schuldlose treffen. Die letzteren tragen
hier unfreiwillig einen Teil der Unkosten, von deren Bestreitung die Erreichung
der staatlichen Zwecke abhängt. Ganz ähnlich wie derjenige, der sein Gut her-
geben muß, weil der Staat es für seine Zwecke braucht.“ Die Analogie der
Enteignungsentschädigung wurde bei der lebhaften literarischen Bewegung für
die Opfer der Justiz besonders gern angerufen: Kronecker, Die Entschädigung
unschuldig Verhafteter S. 17; Verh. d. 16. D. Jur.Tages II 8. 241, 345 ff,
namentlich S. 265 (J aques).