Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

576 Die rechtsfähigen Verwaltungen. 
zeichnung ihres Zweckes, d. h. des Ausschnittes von gemein- 
samen Zwecken eines gewissen Kreises von Menschen oder eines 
zu dauernder Verwirklichung bestimmten Zweckes Einzelner. Der 
Zweck der juristischen Person ist immer der gewisser mehr oder 
weniger genau bezeichneter Menschen ; einen ihr selbständig eigenen 
hat sie nicht. Jene Menschen aber sind die Beteiligten, für deren 
Zwecke sie mit ihrem Zwecke da ist®, 
Die natürliche Person erhält den für sie wirkenden wehrhaften 
Willen, naturgemäß und falls nicht besondere Mangelhaftigkeiten 
vorliegen, von dem Menschen, der sie darstellt; dessen Wille gibt 
ohne weiteres ihren eigenen Willen. Die juristische Person bekommt 
einen Willen, der für sie zählt als ihr wehrhafter Wille, immer nur 
durch Vertretung, und diese Vertretung kann nicht so von selbst 
und in gleichmäßiger Weise anknüpfen an die wechselnden oder 
ganz verschwindenden und mehr oder weniger unbestimmten Men- 
schen, für deren Zwecke sie dient; es bedarf besonderer Vor- 
kehrung dafür”. 
Zweckbestimmung und Vertretungsordnung sind 
daher wesentliche Stücke der Verfassung. 
° Rosin, in Annalen 1883 S. 289. Bernatzik, in Arch. f. öff. B. V 
S. 232. — Ein „Zweckvermögen“ im Sinne der bekannten Theorie von Brinz 
soll damit nicht an die Stelle der juristischen Person gesetzt sein. Es ist ein 
Irrtum, wenn Waldecker, Öff. Körpersch. S. 23 Note, behauptet, ich „wolle 
auf die Brinz-Bekkersche Theorie des Zweckvermögens hinaus“. Ich habe 
an der gemeinten Stelle (Festgabe f. Laband I S. 22) das, worin ich mit dieser 
Theorie übereinstimme, ersichtlich nur hervorgehoben, um den Gegensatz, die 
richtige juristische Person, desto schärfer zu betonen. 
? Die „Willensorganisation“ gehört zur Ausstattung der juristischen Person, 
nicht aber bildet ein gegebener Wille ihre Grundlage: Bernatzik in Arch. f. 
öff. R. V 8.232, — Rosin, R. d. öff. Genossensch. S. 92, bestimmt die Person, 
natürliche wie juristische, als ein Wesen, „welchem das Recht einen eigenen 
Lebenszweck und zu dessen Realisierung einen eigenen Willen zuerkennt.“ Hier 
sind unsere beiden Bestandteile der Verfassung der juristischen Person gut 
hervorgehoben. Nur ist eben dieser „zur Realisierung ihres Lebenszweckes“ dien- 
liche Wille, sagen wir ihr wehrhafter Sachwalterwille, bei der juristischen Person, 
nie ein „eigener“ wie bei der natürlichen ordentlicherweise. Er wird ihr denn 
auch in ganz anderer Weise „zuerkannt“ wie der natürlichen Person der ihrige: 
bei dieser paßt ja der Ausdruck gar nicht; nur der juristischen Person wird der 
ursprünglich fremde Wille durch das Recht stets erst beigegeben und zugerechnet, 
„zuerkannt“, wenn man will. Die gezwungene Erstreckung des Ausdrucks erklärt 
sich aber aus dem Bestreben, die Übereinstimmung zwischen natürlicher und 
juristischer Person in diesem Punkte größer erscheinen zu lassen als sie ist. Und 
das hängt zusammen mit dem mächtigen Einfluß Gierkes, unter welchen Rosin 
3% ganz unverhohlen sich gestellt hat.
	        
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