$ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechts. 579
II. Das bürgerliche Gesetzbuch handelt unter dem Titel
„Juristische Personen* ausführlich von rechtsfähigen Vereinen und
Stiftungen und erklärt dann in $ 89 ganz kurz zwei der gegebenen
Bestimmungen auch anwendbar auf „Juristische Personen
des öffentlichen Rechts“. Die vorher von ihm eingehend
geordneten sind im Gegensatze dazu gedacht als Juristische Per-
sonen des bürgerlichen Rechts. Die Ordnung der Juristischen
Personen des öffentlichen Rechts erwartet es von diesem letzteren
und ebenso die Bestimmung ihres Begriffes.
1. Worin das Besondere einer juristischen Person des Öffent-
lichen Rechts zu finden sei, das wird in der herrschenden Lehre
Willens (also der Persönlichkeit) ein vollkommen bindendes Rechtsgeschäft .. .,
so daß (im Mittelalter) der öffentliche wie der individuelle Wille in zahllosen
Splittern den Gegenstand des Rechtsverkehrs bildete“ (S. 37).
Mit einem so beschaffenen Willen läßt sich erklärlicherweise viel anfangen.
„Ist die deutsche Persönlichkeit reich genug, um ohne Selbstzerstörung einen Teil
ihrer selbst zugunsten einer neuen Willenseinheit aufzugeben, so folgt die Existenz
der Verbandspersonen aus der Natur der Dinge“ (S. 40). Dieser Wille ist offenbar
gedacht als eine tropfbar-flüssige, vielleicht besser: eine knetbare Masse: man
nimmt von mehreren Menschen je einen „Willenssplitter“, ballt diese zusammen,
ein „Einheitswille“ entsteht und die Körperschaft ist da; oder man nimmt den
Splitter von einem einzelnen Menschen, macht damit eine „Einstiftung“ in einen
Organismus und sofort wird eine „reale Persönlichkeit“ daraus. Die Anhänger
der Lehre haben einen Überfluß von Ausdrücken zur Verfügung, um den Vorgang
anschaulich zu machen. Jellinek läßt den Willen der juristischen Person nach
Bedarf aus dem Einzelmenschen „herausdestillieren“; nach Regelsberger
fließen die Einzelwillen zu dem Gesamtwillen der Körperschaft zusammen „wie
aus vielen Rinnsalen der Strom“; nach Zitelmann „kristallisiert“ sich der Wille
des Stifters in der rechtsfähigen Stiftung; nach Meurer „objektiviert“ er sich
darin, „der Stifter setzt einen Teil seines Willens außer sich“; die Stiftung hat
dann „ein eingehauchtes Leben“ (der lebendige Odem!); der Wille des Erblassers
ist darin „gleichsam erstarrt“ und „verewigt“ — er nimmt offenbar eine Dauer-
form an gleich den Sporen. —
Der Ordnung halber wäre nur noch festzustellen, daß es sich hier nicht so
sehr um eine Besonderheit des „deutschen Personenbegriffs“ handelt, wie
Gierke meint (Genossensch.R. II S. 30 ff). Denn der Personenbegriff wäre ja
überall der gleiche, nämlich „Willensverkörperung“ (Genoss.R. II S. 25). Der
Unterschied liegt bei dem zu verkörpernden Willen selbst, dem psychologischen
Phänomen, das den „realen“ Kern der Persönlichkeit bilden soll. Von diesem
wird behauptet, daß er bei den Germanen dank seiner „sittlich-freien“ Natur
solche Operationen mit sich anfangen lasse und eben dadurch die Realität der
Verbandspersonen ermögliche (a. a. 0.8.33 ff... Ob er wirklich so geeigenschaftet
sei, das ist keine Frage der juristischen Begriffsbildung mehr, sondern betrifft die
Psychologen, vielleicht auch die Physiologen. Die müßten das klarstellen. Einst-
weilen vermag ich nicht daran zu glauben. g*