Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 57. Die öffentliche Genossenschaft. 621 
mehr eine Äußerung der Ordnungsgewalt, mit welcher der Staat für 
Außergewöhnliches der bürgerlichen Rechtsordnung zu Hilfe kommt, 
Justizpolizei, wie man es früher wohl nannte, dem inneren Wesen 
nach der richterlichen Mitwirkung zur Entstehung des „idealen 
Vereins“ nach B.G.B. $ 21 verwandt®. Der Staat, wie überall in 
der Justiz, wirkt hier nicht sein eigenes Leben aus, sondern umgibt 
als die reine obrigkeitliche Macht das auf dem Boden des Privat- 
rechts sich auswirken wollende Leben der Einzelnen !®, 
Ganz anderer Art ist die Mitwirkung des Staates bei der Ent- 
stehung der Öffentlichen Genossenschaft. Sie beruht auf dem Ge- 
danken, daß die Sache, welche diese betreiben will, zugleich seine 
Sache ist, ein Teil der öffentlichen Verwaltung, die ihn immer 
selbst angeht. Er verwaltet schon in dieser Hervorbringung und 
Fertigstellung ihrer neuen Trägerschaft !!. 
Das Maß seiner Wirksamkeit bemißt sich nach dem freien 
Spielraum, der der anderen Mitarbeiterschaft an dem Werke 
gesetzmäßig gelassen werden soll, dem sich bildenden Verein 
nämlich und seinen Mitgliedern. Immer gehört der staatlichen 
Behörde das letzte Wort, indem die juristische Persönlich- 
keit jedesmal erst entsteht auf ihr „Es werde“. In welcher Form 
dieses aber zum Ausdruck kommt, das richtet sich eben vor allem 
danach, ob schon eine Grundlage geboten ist durch Anträge und 
Vorschläge der künftigen Mitglieder der Genossenschaft und wie- 
weit demnach Eigenes noch dazu getan werden muß "?, 
® Das ältere Zivilrecht kannte solcher „Verleihungen“ noch mehr: venia 
aetatis, legitimatio per rescriptum usw. Es sind Gnadenakte, die in den ordent- 
lichen Gang des bürgerlichen Rechts eingreifen. 
10 Vgl. oben Bd. IS. 16; hier S. 3 u. 570. 
ıı Pfeiffer, Jur. Pers., der das Verdienst hat, den Gegensatz zwischen 
öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Körperschaften besonders sorgfältig 
wahrzunehmen, gelangt alsbald zu der Erkenntnis, daß auch bei ihrer Entstehung 
die beiden „anderen Regeln folgen“ (S. 51). Der Unterschied liegt aber ganz in 
der Rolle des Staates. — Die Unterscheidung, welche Gierke, Genossensch.- 
Theorie 8. 21 ff., durchführt zwischen den zwei „ungleichartigen Funktionen“ des 
Staates, die bei der Entstehung der juristischen Personen vorkommen, der als 
„Rechtsorgan“ und der als „lebendiges Machtwesen“, würden wir sehr wohl ver- 
werten können zur Bezeichnung unseres Gegensatzes zwischen seinem Auftreten 
bei Entstehung juristischer Personen des Privatrechts und bei Entstehung öffent- 
licher Genossenschaften — mit dem Vorbehalt, daß doch auch der Wille dieses 
„lebendigen Machtwesens“ rechtlich sehr bedeutsame Wirkungen hervorbringt, 
gleich denen des „Rechtsorgans®. — Gierke meint es freilich nicht ganz 80. 
12 Zusammenstellung der verschiedenen Entstehungsarten bei Gierke, 
Genossensch Theorie S. 114 ff. Dort verschwindet aber jede andere Unterscheidung
	        
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