$ 57. Die öffentliche Genossenschaft. 629
Willenserklärungen öffentlichrechtlicher Natur nach Art von Ver-
waltungsakten, nur eben mit den Besonderheiten, welche der An-
weisung im Gewaltverhältnis eigen sind. Sie können in Gestalt
allgemeiner Regeln erlassen werden als Vereinsstatute, Genossen-
schaftsstatute, die keine Rechtssätze bedeuten **. Sie können auch
als Einzelakte ergehen. In beiden Fällen ist es nicht notwendig
eine Behörde, die sie erläßt®®,
Die Vereinsgewalt erhält den Rahmen, innerhalb dessen sie
sich gültig so zu betätigen vermag, durch die Verfassung der Ge-
nossenschaft, ihr Verfassungsstatut und die es ergänzenden staat-
lichen Rechtssätze®®,
% Vgl. oben Bd. IS. 89.
35 Vgl. oben Bd. I S. 104 fi.
?6 Die rechtsfähige Anstalt hat keine Vereinsgewalt, weil sie keine Mitglieder
bat; möglicherweise übt sie eine Anstaltsgewalt aus über die ihre Einrichtungen
Benutzenden (vgl. oben $ 52, I). Das ist etwas ganz anderes. Die Gemeinde hat
Anstaltsgewalt über Benutzende, Dienstgewalt über ihre Beamten (oben x 42, In. 4,
$ 45); aber sie hat keine Vereinsgewalt, weil ihre Mitglieder nicht zu einem
Verein verbunden sind. Wenn sie ihre Angehörigen so in Anspruch nimmt, tut
sie es wie der Staat, obrigkeitlich durch voraussetzungslos wirkenden Rechtssatz
(körperschaftliche Satzung; vgl. oben Bd. I S. 87) oder auf Grund eines staat-
lichen oder eigenen Rechtssatzes. Nur die öffentliche Genossenschaft besitzt dank
der bei ihren Mitgliedern verfassungsmäßig gegebenen besonderen Abhängigkeit
und Verpflichtbarkeit die Macht, diesen gegenüber auch durch Verwaltungs-
vorschriften und einfache Einzelweisungen bindend zu wirken. Beispiele solcher
Verwaltungsvorschriften geben die Regelung des Lehrlingswesens durch die Innung
nach Gew.Ord. $ 81a Ziff. 3, die Unfallverhütungsvorschriften durch die Berufs-
genossenschaft nach R.Vers.Ord. $8 848 ff. Sie wirken auf die Mitglieder mit der
Vereinsgewalt oder, wenn man will, mit der „dem genossenschaftlichen Verband
immanenten Herrschaft über seine Mitglieder“: Rosin, Arb.Vers. I S. 806. Auf
die Versicherten wirken sie bindend durch Geltendmachung ihres Dienstverhält-
nisses zu den Mitgliedern. Rechtssätze bedeuten sie nach keiner Richtung. Bei-
spiele von bindenden Weisungen im Einzelfall bei öffentlichen Wassergenossen-
schaften: Sächs. Wasserges. v. 12. März 1909 $ 118 („der Vorstand kann die in
Ausübung seiner Befugnisse gegen einzelne Genossen gerichteten Anordnungen
auf Kosten der Ungehorsamen ausführen lassen“; Beschwerde geht an die Auf-
sichtsbehörde); Bad. Wasserges. v. 12. April 1913 $ 62 Abs. 2 Zifl.7 (Wiener,
Kom. zu $ 62 n. 9b); Preuß. Wasserges. v. 7. April 1918 $ 222 Abs. I. — Ins-
besondere die von der Genossenschaft erhobenen Mitgliederbeiträge unter-
scheiden sich scharf von den Beiträgen, die als Seitenstück zu den Gebühren
öffentliche Vorzugslasten bedeuten (vgl. oben $ 48, In. 1): diese werden an den
Herrn des öffentlichen Unternehmens geleistet wegen besonderer Beteiligung des
Leistenden an seinem Unternehmen, jene an den Verwaltungskörper, durch den
die Leistenden selber das Unternehmen tragen und leiten; diese kraft Rechtssatz
oder Verwaltungsakt geschuldet, jene kraft Gewaltverhältnis und demgemäß er-
gehender Weisung.