Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 58. Die Gemeinde. 639 
mehrere Ordnungen wird hierdurch aufgehoben“. $ 15: „Das Bürgerrecht besteht 
in der Befugnis, städtische Gewerbe zu treiben und Grundstücke im städtischen 
Polizeibezirk der Stadt zu beritzen. Wenn der Bürger stimmfähig ist, erhält er 
zugleich das Recht, an der Wahl der Stadtverordneten teilzunehmen, zu öffent- 
lichen Stadtämtern wahlfähig zu sein und in deren Besitze die damit verbundene 
Teilnahme an der öffentlichen Verwaltung nebst Ehrenrechten zu genießen“. Das 
Bürgerrecht, welches vom Magistrat erteilt wird ($ 24), bedeutet also eine wirt- 
schaftlich bevorrechtete Klasse, nicht eine politische Befähigung; diese kann hinzu- 
kommen durch Erfüllung der Voraussetzungen, welche die besondere Geeignetheit 
gewährleisten sollen: männliches Geschlecht, Unbescholtenheit, Ansässigkeit oder 
Einkommen von gewisser Höhe ($ 74). 
Das Neue, was die Weiterentwicklung hier bringt, erscheint an zwei 
Punkten: 
— Das Bürgerrecht löst sich von dem Zusammenhang mit einer sozial be- 
vorrechteten Klassenstufe, hängt also nunmehr unmittelbar an der Ein- 
wohnereigenschaft als eine rechtliche Fähigkeit zu politischer Betätigung, 
bedingt durch Erfüllung der Voraussetzungen, welche nach dem Gesetze die Ge- 
eignetheit dafür gewähren sollen, ganz in derselben Weise wie das Staatsbürger- 
recht oder Wahlrecht zur Volksvertretung unmittelbar an der Staatsangehörigkeit 
hängt. Es ist nichts anderes mehr, als was die Städte-Ord. v. 1808 das Stimm- 
recht nannte. 
So Preuß. Städte-Ord. v. 1853 8 3: „Alle Einwohner des Stadtbezirks“ sind 
Gemeindeangehörige. $4: Das Bürgerrecht steht jedem Einwohner zu unter Er- 
füllung der besonderen Voraussetzungen der Geeignetheit, und es besteht lediglich 
„in dem Rechte zur Teilnahme an den Wahlen sowie in der Befähigung zur Über- 
nalıme unbesoldeter Ämter und zur Gemeindevertretung“. 
Einen wesentlichen Unterschied macht es nicht, wenn Bayr. Gem.Ord. Art. 10 
das Bürgerrecht, das zur Mitwirkung an Gemeindeangelegenheiten in Beratungen, 
Beschlüssen, Wahlen und Ämtern beruft, „nur durch ausdrückliche Verleihung“ 
förmlich sich vollenden läßt. Denn diese Verleihung begründet nicht die Bürger- 
eigenschaft als eine besondere Zwischenstufe, sondern setzt einen Zustand der 
„Befähigung“ voraus, der anderwärts selbst schon die Bürgereigenschaft ist und 
hier nur erst noch besonders festgestellt und anerkannt wird: außer dem „Wohnen 
in der Gemeinde“ wird nämlich verlangt die Erfüllung der Voraussetzungen der 
Geeignetheit in Alter, Geschlecht, Unbescholtenheit, Steuerleistung. 
— Die für das Gemeindebürgerrecht wesentliche Staatsangehörigkeit 
war für das ältere Recht dadurch gewährleistet, daß sie selbst geknüpft war an 
den Wohnsitz im Staatsgebiet; der subditus perpetuus, gleichbedeutend mit dem 
„Einländer“, war der Mensch, der den Staat besonders anging, weil er ihm zu- 
verlässige Machtmittel lieferte und desbalb auch wieder besonders zu pflegen war. 
Für diese Zeit ist es wahr, was Gierke, Genossensch.R. I 8. 719, bemerkt: „Die 
Gemeindeordnungen fassen die Gemeindeangehörigen als eine bloße Abteilung der 
Staatsangehörigen auf“. Das wird anders, als die Staatsangehörigkeit mit dem 
Eindringen der Verfassungsstaatsideen zu einem status civitatis wird, eine recht- 
liche Eigenschaft des Menschen, die ihm anhängt, wo er auch wohne. In diesem 
Sinne wurde führend Preuß. Ges. v. 31. Dez. 1842 ($ 1: „Der Wohnsitz im Staate 
begründet für sich die Staatsangehörigkeit nicht“), das auch dem Reichsges. v. 
1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörig-
	        
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