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mehrere Ordnungen wird hierdurch aufgehoben“. $ 15: „Das Bürgerrecht besteht
in der Befugnis, städtische Gewerbe zu treiben und Grundstücke im städtischen
Polizeibezirk der Stadt zu beritzen. Wenn der Bürger stimmfähig ist, erhält er
zugleich das Recht, an der Wahl der Stadtverordneten teilzunehmen, zu öffent-
lichen Stadtämtern wahlfähig zu sein und in deren Besitze die damit verbundene
Teilnahme an der öffentlichen Verwaltung nebst Ehrenrechten zu genießen“. Das
Bürgerrecht, welches vom Magistrat erteilt wird ($ 24), bedeutet also eine wirt-
schaftlich bevorrechtete Klasse, nicht eine politische Befähigung; diese kann hinzu-
kommen durch Erfüllung der Voraussetzungen, welche die besondere Geeignetheit
gewährleisten sollen: männliches Geschlecht, Unbescholtenheit, Ansässigkeit oder
Einkommen von gewisser Höhe ($ 74).
Das Neue, was die Weiterentwicklung hier bringt, erscheint an zwei
Punkten:
— Das Bürgerrecht löst sich von dem Zusammenhang mit einer sozial be-
vorrechteten Klassenstufe, hängt also nunmehr unmittelbar an der Ein-
wohnereigenschaft als eine rechtliche Fähigkeit zu politischer Betätigung,
bedingt durch Erfüllung der Voraussetzungen, welche nach dem Gesetze die Ge-
eignetheit dafür gewähren sollen, ganz in derselben Weise wie das Staatsbürger-
recht oder Wahlrecht zur Volksvertretung unmittelbar an der Staatsangehörigkeit
hängt. Es ist nichts anderes mehr, als was die Städte-Ord. v. 1808 das Stimm-
recht nannte.
So Preuß. Städte-Ord. v. 1853 8 3: „Alle Einwohner des Stadtbezirks“ sind
Gemeindeangehörige. $4: Das Bürgerrecht steht jedem Einwohner zu unter Er-
füllung der besonderen Voraussetzungen der Geeignetheit, und es besteht lediglich
„in dem Rechte zur Teilnahme an den Wahlen sowie in der Befähigung zur Über-
nalıme unbesoldeter Ämter und zur Gemeindevertretung“.
Einen wesentlichen Unterschied macht es nicht, wenn Bayr. Gem.Ord. Art. 10
das Bürgerrecht, das zur Mitwirkung an Gemeindeangelegenheiten in Beratungen,
Beschlüssen, Wahlen und Ämtern beruft, „nur durch ausdrückliche Verleihung“
förmlich sich vollenden läßt. Denn diese Verleihung begründet nicht die Bürger-
eigenschaft als eine besondere Zwischenstufe, sondern setzt einen Zustand der
„Befähigung“ voraus, der anderwärts selbst schon die Bürgereigenschaft ist und
hier nur erst noch besonders festgestellt und anerkannt wird: außer dem „Wohnen
in der Gemeinde“ wird nämlich verlangt die Erfüllung der Voraussetzungen der
Geeignetheit in Alter, Geschlecht, Unbescholtenheit, Steuerleistung.
— Die für das Gemeindebürgerrecht wesentliche Staatsangehörigkeit
war für das ältere Recht dadurch gewährleistet, daß sie selbst geknüpft war an
den Wohnsitz im Staatsgebiet; der subditus perpetuus, gleichbedeutend mit dem
„Einländer“, war der Mensch, der den Staat besonders anging, weil er ihm zu-
verlässige Machtmittel lieferte und desbalb auch wieder besonders zu pflegen war.
Für diese Zeit ist es wahr, was Gierke, Genossensch.R. I 8. 719, bemerkt: „Die
Gemeindeordnungen fassen die Gemeindeangehörigen als eine bloße Abteilung der
Staatsangehörigen auf“. Das wird anders, als die Staatsangehörigkeit mit dem
Eindringen der Verfassungsstaatsideen zu einem status civitatis wird, eine recht-
liche Eigenschaft des Menschen, die ihm anhängt, wo er auch wohne. In diesem
Sinne wurde führend Preuß. Ges. v. 31. Dez. 1842 ($ 1: „Der Wohnsitz im Staate
begründet für sich die Staatsangehörigkeit nicht“), das auch dem Reichsges. v.
1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörig-