Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 58. Die Gemeinde. 653 
bei der öffentlichen Genossenschaft selbst wieder als die Genossen- 
schaft bezeichnet, so bei der juristischen Person Gemeinde als „die 
Gemeinde“. Der Doppelsinn dieser Namen ist nicht zu übersehen. 
Bei der Genossenschaft ist diese Gesamtheit unmittelbar ver- 
wendbar als Generalversammlung oder Wählerschaft; der Genosse. 
der ausnahmsweise selbst nicht geschäftsfähig wäre, könnte durch 
seinen nach bürgerlichem Recht bestimmten Vertreter erscheinen. 
Bei der Gemeinde, deren Mitgliederschaft schlechthin die auf ihrem 
Gebiete sitzende Menschheit bildet, so wie sie ist, handelt diese. 
wie beim Staate das Gesamtvolk, durch die in ihr enthaltenen 
Fähigen und Würdigen, die verfassungsmäßig berufonen Gemeinde- 
bürger (vgl. oben Note 9). 
Für den weiteren Aufbau wird sich dann wieder der Unter- 
schied von Stadt und Landgemeinde oder von großer und kleiner 
Gemeinde geltend machen. 
Nur in ganz kleinen Verhältnissen läßt sich die Bürgerschaft 
unmittelbar verwenden zu Beschlüssen und zu Wahlen, als Ge- 
meindeversammlung. Die Gemeinde ist hier wieder gedacht 
nicht als der Selbstverwaltungskörper, die juristische Person, son- 
dern, wie die Appenzeller Landsgemeinde, als die Gesamtheit der 
Mitglieder, als das Gemeindevolk, erscheinend in den darin be- 
griffonen Stimmberechtigten. Die Gemeinrdeversammlung ist eine 
Bürgerversammlung. 
Aus der Wahl der Gemeindebürger geht dann eine Versamm- 
lung von Abgeordneten hervor, die Gemeindevertretung. 
Sie bildet das Seitenstück der Volksvertretung: es handelt sich 
um die Vertretung des Gemeindevolks, die in dessen Recht den 
Selbstverwaltungskörper Gemeinde vertritt. Das tut sie in kleinen 
Gemeinden, soweit die Gemeindeversammlung nicht zuständig ist, 
in größeren als ihre erste und grundlegende Willensvertretung ®®. 
28 Es handelt sich in der Gemeinde, wie im Staat, um Volk und Volks- 
rechte. Die Sächs. Verf.Urk. $ 78 nennt in diesem Sinne die Volksvertretung 
„das gesetzmäßige Organ der Gesamtheit der Staatsbürger und Untertanen und 
als solches berufen, deren auf der Verfassung beruhende Rechte geltend zu 
machen“. Die Einheitlichkeit der Grundidee tritt gerade bei dem verfassungs- 
mäßigen Aufbau der Ordnung, in der diese zur Geltung kommen sollen, auf das 
deutlichste hervor. Im Staate wird das Bild zwar beeinträchtigt durch die alles 
überwiegende Machtstellung des Fürstentums: das für das Volk geltend zu 
machende Recht beschränkt sich in der Hauptsache auf eine gewisse verfassungs- 
mäßig unentbehrliche Mitwirkung. Gleichwohl ist es dieser neuzeitliche Kon- 
stitutionalismus mit seinem demokratischen Grundzuge, der vom Staate her maß- 
gebend geworden ist für die Gemeinde.
	        
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