654 Die rechtsfähigen Verwaltungen.
Diese Versammlung, nur nach Bedürfnis und mit längeren
Zwischenräumen zusammengerufen, eignet sich nicht zur Vertretung
nach außen, noch auch zur Besorgung der täglichen Geschäfte.
Deshalb wird von ihr ein Gemeindevorstand bestellt, als der
ständige Vertreter des Selbstverwaltungskörpers, in Amt und Dienst-
pflicht stehend diesem gegenüber: er ist die Gemeindebehörde.
Diese Gemeindebebörde entwickelt sich aber mit der Größe
der Gemeinde, vor allem bei dem Übergang von der Landgemeinde
zur Stadt zu größerer Bedeutung und Selbständigkeit ?®. Ibr kommt
dabei zustatten, daß sie zugleich die Stelle ist, an welcher der
Zusammenhang des Selbstverwaltungskörpers mit dem Staat und
seiner Regierung wirksam wird: der übertragene Wirkungskreis
hängt an ihr und aufsichtsrechtliche Bestätigungs- oder Ernennungs-
rechte werden an ihr zur Geltung gebracht.
Ursprünglich ist der Gemeindevorstand gedacht als ein ein-
zelnes Mitglied der Gemeindevertretung, das in dieser
verbleibt und nur zugleich mit diesen Amtsverrichtungen betraut
ist, der Gemeindevorsteher — in Preußen auch Schulze,
Scholze, Richter, Dorfrichter, in Süddeutschland manchmal von
unten auf schon Bürgermeister. Es ist zugleich der geborene
Vorsitzende der Gemeindevertretung. Ein Ersatzmann wird ihm
beigegeben sein, der sich zugleich zu einem ständigen Gehilfen
entwickelt. |
Der Vorsteher wird dann zum Berufsbeamten, die Gehilfen-
schaft wird vermehrt; die Gemeindebehörde beschließt nicht nur
mit der Gemeindevertretung zusammen, sondern bildet zugleich für
ihren Bereich ein Kollegium für sich, einen geschhäftsf ührenden
Ausschuß.
Der weitere Schritt besteht dann in der Lösung dieser inneren
Zusammengehödrigkeit: Gemeindevertretung und Gemeindevorstand
(Rat, Magistrat) stehen als selbständige Kollegien einander gegen-
#° Im Gegensatz zu der französischen Gemeindeverfassung, die immer wieder
nur congeil municipal und maire in vollendeter Eintönigkeit vernehmen laßt, ent-
wickelte sich bei uns auch in den einzelnen Rechtsgebieten ein großer Reichtum
von Verfassungsformen, die teils an die Größe der Gemeinde schlechthin an-
knüpfen, teils den Gemeinden zu freier Wahl gestellt sind. Überdies ist der ver-
fassungregelnden Satzung, der statutarischen Anordnung Spielraum gegeben, um
der Neigung zu Mannigfaltigkeiten zu weiterem Ausdruck zu verhelfen: Preuß.
Städte-Ord. $ 11; Sächs. Rev. Städte-Ord. $ 2. Preußen stellt aber schon vo
vornherein neben die ordentliche Stadtverfassung die „ohne kollegialischen Ge-
meindevorstand“ für Städte unter 2500 Einwohner (Städte-Ord. $ 72) und Sachsen
neben die Rev. Städte-Ord. noch eine „Städte-Ord. für mittlere und kleine Städte -