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über. Dabei werden die alten Traditionen der Stadt
wirksam: der Schwerpunkt lag ja dort beim kleinen Rat, der eine
festverankerte Oligarchie bildet gegenüber der zugelassenen Bürger-
schaft im großen Rat. Jetzt kommt noch der Zusammenhang mit
der Staatsregierung hinzu, der die Gemeindebehörde stärkt, ebenso
wie die allgemeine Machtstellung des Berufsbeamtentums. Die
Gemeindevertretung, welche auf den unteren Stufen die Bedeutung
hat, die der Volksvertretung zukommt in der parlamentarisch
regierten Republik, wird in dieser städtischen Verfassung zum
Beiwerk, zur „verfassungsmäßigen Schranke“. Der Magistrat oder
Rat ist ihr gegenüber in der Stadt, was der Landesherr mit seinem
Ministerium der Volksvertetung gegenüber im Staat, die Gemeinde-
regierung ®°.
Die Grenznachbarschaft zum Staatsrecht macht sich hier so
stark fühlbar, daß das einfache Rechtsinstitut des Verwaltungs-
rechts kaum mehr zu erkennen ist.
IV. Mehrere Gemeinden pflegen zusammen einen höheren
Selbstverwaltungskörper zu bilden, mehrere dieser letzteren
können dann, je nach der Größe des Staatsgebiets, wieder zu-
sammengefaßt sein zu einem noch höheren. Die Gesetze sprechen
hier von einem Kommunalverband oder Gemeindeverband
im Sinne eines gemeindeartigen Verbandes über den Gemeinden ®!,
% Der dem französischen Vorbild entsprechende Gedanke, wonach im Ge-
meinderat dem Bürgermeister gegenüber eine Art Volkssouveränität zur Wirkung
kommt, hat noch in der Preuß. Städte-Ord. v. 1808 Ausdruck gefunden. $ 108:
„Die Stadtrerordneten erhalten durch ihre Wahl die unbeschränkte Vollmacht
in allen Angelegenheiten des Gemeinwesens der Stadt, die Bürgergemeine zu ver-
treten, sämtliche Gemeineangelegenheiten für sie zu besorgen usw.". $ 174:
„Der Magistrat ist die ausführende Behörde“. Auch die Städte-Ord. v. 1853 $ 56
Ziff. 2 wendet die Sache so, als sei der Magistrat wesentlich dazu da, die Be-
schlüsse der Stadtverordneten „vorzubereiten und zur Ausführung zu bringen“. In
Wirklichkeit hat sich aber ein starkes Überwiegen des Magistrats herausgestellt:
Schoen, R. d. Kom.Verb. in Preuß. S. 135 f.
°%ı Das Wort ist nicht glücklich. Der beliebte Ausdruck „Verband“ dient ja
ganz allgemein zur Bezeichnung von allerlei Einrichtungen, bei denen „eine Viel-
heit zur Einheit“ zusammengefaßt wird. Deshalb kann das Wort Gemeinde-
verband auch für einen Bund mehrerer Gemeinden gebraucht werden, den sogen.
Zweckverband; vgl. unten $ 60, I n. 1. Aber auch die einzelne Gemeinde ist
demnach schon ein Verband. Deshalb sagt man dazwischen gern Gemeindeverband
statt einfach Gemeinde. Außer einer Verlängerung des Wortes ist damit kaum
etwas gewonnen. Um das, was wir oben einen Gemeindeverband nannten, wieder
zu unterscheiden, muß man dann von einem höheren oder größeren oder weiteren
Gemeindeverband sprechen. Es ist andererseits nicht ausgeschlossen, diese weiteren