$ 58. Die Gemeinde. 659
2. Ein anderer Rest früherer Zustände sind die Real-
gemeinden. Die alte Markgenossenschaft hat sich hier von der
Gemeinde gelöst, um ihren Mitgliedern Eigentum und Nutzung
der gemeinsamen Güter vorzubehalten.. Diese bilden dann eine
juristische Person des Privatrechts auf Vereinsgrundlage. Sie
kann auch Öffentlichrechtlich gestaltet sein, sofern das geltende
Recht das gemeinsame Unternehmen als wichtig genug ansieht
für das öffentliche Wohl, daß der Staat als beteiligt dabei auf-
treten soll. Dann handelt es sich um eine Öffentliche Genossen-
schaft ®8,
8. Das französische Recht hatte über die kleinen Orts-
gemeinden das Kollegium der municipalit6 de canton gestellt, der
Vorsitzende war überall die eigentliche Gemeindeobrigkeit, die
übrigen Mitglieder standen zugleich an der Spitze der einzelnen
Gemeinden als seine Untergebenen, „Agenten“ ®°. In den deutschen
Ländern links des Rheins waren danach die Bürgermeistereien
eingerichtet geblieben. Sie bedeuten die Gemeinsamkeit des Bürger-
meisters für mehrere Gemeinden, die nur ihre Gemeindevertretung
behalten und da, wo der Bürgermeister nicht wohnt, einen Vertreter
desselben. Die Ortspolizei, also die übertragene Staatsverwaltung,
wird damit von selbst gemeinsam“. In der preußischen Rhein-
provinz sind der Bürgermeisterei aber auch Angelegenheiten des
eigenen Wirkungskreises der Gemeinden zugeteilt. Die Vorstände
der Einzelgemeinden stehen dem Bürgermeister als Bürgermeisterei-
Versammlung zur Seite, um über diese gemeinsamen Angelegen-
kein Grund, ihr selbst die Zugehörigkeit zum öffentlichen Recht abzusprechen;
auf den inneren Aufbau kommt es an und auf das Verhältnis zum Staate; vgl.
oben $ 55, In. 3.
38 So nach Preuß. Ges. v. 5. Juni 1888, die Realgem. in der Prov. Hannover
betr. Über das Geschichtliche zusammenfassend Gierke, D. Pr.R. I S. 578 ff.;
wichtig namentlich die Auflösung der alten Marktgemeinde durch die Scheidung
des Öffentlichrechtlichen; a. a. O. 8. 589 ff. Wir haben auf diese ins Privatrecht
verlaufenden Nebenerscheinungen unserer Gemeinde nicht weiter einzugehen.
89 Verf. v. 5 fruct. III tit. VII (Art. 174 ££.); Ges. v. 21 fruct. III (Art. 6 u. 8).
40 In dieser Gestalt wurde die Bürgermeisterei durch die Gem.Ord. Y.
29. April 1869 Art. 150 ff. auch im rechtsrheinischen Bayern eingeführt. Die
unter dem Vorsitz des gemeinsamen Bürgermeisters vereinigten Gemeindeausschüsse
können ortspolizeiliche Vorschriften für den ganzen Bürgermeistereibezirk be-
schließen (Art. 150 Abs.4). Kahr, Bayr. Gem.Ord. I S. 46 ff. Wiea. a. OÖ. S. 129
mit Recht hervorgehoben wird, ist die Bürgermeisterei „ihrem ursprünglichen
Wesen nach nicht sowohl ein Glied der gemeindlichen Selbstverwaltung als viel-
mehr ein Glied in dem organischen Aufbau der staatlichen Verwaltung”. Nor
der übertragene Wirkungskreis wird ja darin vereinheitlicht. 42#