Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

668 Die rechtsfähigen Verwaltungen. 
der Lehre von der Vertreterschaft kraft Amtes darauf zurückkommen 
(unten II). 
— Sie kann aber auch bedeuten die Bestellung des Gewählten 
zu einer engeren Vertretung kraft Mitgliedschaftsrechts. Der 
Gewählte wird dadurch ausgestattet mit den Rechten, welche die 
Mitglieder selbst auszuüben hätten, in kleineren Verhältnissen durch 
ihre Versammlungsbeschlüsse auch ausüben, ganz oder zum Teil, für 
welche aber in größeren besser ein engerer Kreis bestellt wird. Das 
Vorbild ist die Ausübung der Rechte des Volkes durch gewählte 
Abgeordnete. Das sind selbst Staatsbürger, hier also vollberechtigte 
Mitglieder der Genossenschaft oder Gemeinde. Das Recht der 
Übrigen wird nur durch die Wahl auf sie vereinigt; daher Ab- 
geordnete. Sie sind Mitglieder mit verstärktem Recht. Sie 
gehören mit zur verfassungsmäßigen Vertretung der Körper- 
schaft. Zugleich sind sie aber Vertreter noch in einem anderen 
Sinn: Volksvertreter, Genossenschaftsvertreter, Ge- 
meindevertreter, letzteres beides im Sinne einer Vertretung 
der anteilsberechtigten und somit ursprünglich vertretungsberech- 
tigten Mitglieder der Körperschaft®®. 
Diese Abgeordneten betätigen sich in Versammlungen, Ver- 
tretungen genannt, zu denen sie vereinigt werden, entsprechend 
der Versammlung der Volksvertreter. Möglicherweise schiebt sich 
bei ihrer - Bestellung noch eine Zwischenstufe ein, in denen die 
Mitglieder der Körperschaft durch ihre Wahl zunächst Wahl- 
  
*® Vgl. oben $ 58 Note 28. Hubrich, Parlament. Redefreih. S; 334, be 
streitet, daß die Volksvertretung „juristisch wirklich als Repräsentanz des 
etwa ein besonderes Rechtssubjekt im Staate darstellenden ‚Volkes‘ in Betracht 
kommt“. Eine juristische Person im zivilrechtlich geformten Begriff ist das Volk 
gewiß nicht. Das ist aber auch der Staat nicht. Der Landtag ist noch eher 
Volksvertretung zu nennen als „Staatsorgan“, wieHubrich tut. Daß hier „Volks- 
rechte“ wahrgenommen werden sollen und das Volk dabei vertreten wird, ist jeden- 
falls eine Anschauung, ohne die unser Verfassungsstaat nicht wohl verständlich 
sein wird. — So ist es auch bei der Gemeindevertretung; sie ist Vertretung der 
Gemeinde als Gemeindevolk; sie ist aber zugleich „Gemeindeorgan“, Vertretung 
der Gemeinde als Selbstverwaltungskörper. Ebenso ist die Genossenschafts- 
vertretung, der Genossenschaftsvorstand, Vertretung der Genossenschaft im Sinne 
der Gesamtheit der Genossen als an der Körperschaft Berechtigter und als solcbe 
zugleich Vertretung der Genossenschaft als diese Körperschaft selbst. Das ist 
oatürlich wohl auseinanderzuhalten. O.V.G. 5. März 1907 (Entsch. L 8. 12): 
„Gemeindevertretungen bilden nicht nur Vertretungen der Gemeindegenossen zUF 
Wahrnehmung ihrer Rechte, sondern haben als Gemeindeorgane an der Erfüllung 
staatlicher Aufgaben mitzuwirken“ — d.h. an der Führung der der Gemeinde zu 
stehenden öffentlichen Verwaltung.
	        
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