Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

5 61. Recht der Staatsaufsicht. 107 
8 6. 
Recht der Staatsaufsicht. 
Die Staatsaufsicht ist eine geordnete rechtliche Macht, 
welche namens des Staates über die rechtsfähigen 
Verwaltungen geübt wird, um sie bei der Erfüllung 
ihrer Aufgaben zu erhalten. 
Die Behörde, welche jedem Verwaltungskörper gegenüber zur 
Ausübung dieser Macht berufen ist, heißt seine Aufsichts- 
behörde. 
I. Der Begriff der Aufsicht ist uns schon zweimal entgegen- 
getreten. 
gehören. Das Reichsgesetz vom 6. Juni 1870 hat nur Verhältnisse des öffentlichen 
Rechts geordnet. Die öffentliche Armenpflege ... mußte neu und in gleichmäßiger 
Weise für das ganze Bundesgebiet geregelt und verteilt werden. Da die Gleich- 
mäßigkeit der Belastung des einzelnen Armenverbandes bedingt wird durch die 
vollständige Erfüllung der gleichen Pflichten durch alle übrigen, so mußte dem 
einzelnen Armenverbande, welcher infolge der etwaigen Nichterfüllung eines 
anderen von einer Last betroffen wird, die ihm nicht obliegt, oder welcher über- 
haupt sich an der öffentlichen Armenpflege da beteiligt hat, wo er gesetzlich ent- 
weder gar nicht oder nur in einem geringeren Maße oder nur vorläufig dazu ver- 
pflichtet war, das Recht gegeben werden, die Ausgleichung der öffentlichen Last 
der Armenpflege nach Maßgabe des Gesetzes gegen jeden Armenverband zu ver- 
langen, zu dessen ‘Gunsten er sonst überbürdet sein würde. Unter welche zivil- 
rechtliche Formel diese Klage sonst noch gebracht werden könne, ist für die Be- 
urteilung der zur Entscheidung berufenen Verwaltungsgerichtshöfe ohne Bedeutung.“ 
Das ist unser Rechtsinstitut: wenn dem Überlasteten das Recht gegeben werden 
mußte, die Ausgleichung zu verlangen, muß der Jurist auch imstande sein, aus 
dem Gesetz herauszulesen, daß das angeordnet ist. 0. 
Ähnlich 0.V.G. 8. Okt. 1898 (Entsch. XXXIV S. 367): Ortskrankenkasse T. 
ersetzt Krankenpflegekosten an Armenverband; hinterdrein ergibt sich, daß Orts- 
krankenkasse M. zu zahlen gehabt hätte. T. klagt gegen M. auf Erstattung bei Be- 
zirksausschuß, der nach Kr.Vers.Ges. v. 10. April 1892 $ 58 Abs. 2 zuständig ist für 
Streitigkeiten zwischen Gemeindekrankenversicherungen und Krankenkassen über 
den Ersatz irrtümlich geleisteter Unterstützungen. Zivilrechtlich, sagt das Gericht, 
wenn das Zivilrecht „statthaft sein sollte“, wäre kein Anspruch begründet. Aber 
$58 Abs. 2 trifft jede ungerechtfertigte Bereicherung zwischen Ortskrankenkassen, 
such wenn nur durch Bezahlung an den Armenverband der Verpflichteten Aus 
gaben erspart werden. Dabei gibt das angerufene Gesetz doch eigentlich nur eine 
Zuständigkeitsbestimmung! Aber so steht es auf diesem Gebiete des Billigkeits- 
rechts: wo das richtige Gefühl ist für die innere Wahrheit und Notwendigkeit 
der durchzusetzenden Ordnung, da findet sich auch der Mut, die erforderliche 
juristische Begründung zu nehmen, wo man sie findet. Und das ist gut so. Auf 
jenes richtige Gefühl kommt alles an; es ist allerdings nicht angeboren, sondern 
setzt voraus ein gewisses Maß von erworbenem Verständnis für das öffentliche 
Recht, 
45*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.