$ 61. Recht der Staatsaufsicht. aı
den.entsprechenden Erscheinungen bei Dienstpflicht und Verleihung.
Dort gestaltet sich, wie wir sahen, die Aufsicht zu einem Gewalt-
verhältnis, in welches der Dienstpflichtige wie der Beliehene
gebracht wird. Vermöge dieses Gewaltverhältnisses kann ihm nun
im Rahmen der übernommenen Verpflichtungen durch den Gewalt-
haber genauer bestimmt werden, was für ihn demgemäß Rechtens
sein soll®. Wollte man die gleiche Rechtsform hier zur Anwendung
bringen, so würde sie eine viel größere Tragweite bekommen.
Denn das zu Beaufsichtigende erstreckt sich hier nicht auf einen
begrenzten Kreis übernommener Pflichten, sondern auf die ganze
Lebenstätigkeit des zu beaufsichtigenden Körpers, der ja für: sonst
nichts da ist und kein Privatleben hat. Sein eigenes Dasein sogar,
seine Verfassung und innere Einrichtung, insofern sie vor dem
Staate nur Wert haben als Voraussetzungen der guten Erfüllung
dieser Aufgabe, sind gleichfalls Gegenstand seiner Aufsicht. Wenn
also dieser die ganze Person umfassende Rahmen ausgefüllt werden
sollte durch ein Gewaltverhältnis mit seiner eigenartigen Macht-
entfaltung, so bliebe von Selbstverwaltung nichts übrig; der bevor-
mundende Polizeistaat wäre hier verewigt.
Daher der große Unterschied: die Staatsaufsicht hat
nicht die Gestalt eines Gewaltverhältnisses.
Nachdem die juristische Persönlichkeit des Öffentlichen Rechts
einmal geschaffen und anerkannt ist, bedarf es vielmehr für jeden
Eingriff in ihre Selbständigkeit eines Rechtstitels, einer gesetz-
lichen Grundlage oder was ihr gleichsteht. Dieser Rechtstitel, also
das Gesetz selbst vor allem, könnte ja auch ein Gewaltverhältnis
herstellen für diesen Zweck. Tatsächlich geschieht das nicht. Viel-
mehr werden die einzelnen Einwirkungsmöglichkeiten gesetzlich
oder satzungsgemäß festgelegt und bestimmt, und nur soweit hier-
durch Rechte der Staatsaufsicht bestehen, kann eine Ein-
wirkung in diesem Sinne erfolgen®.
Daraus ergibt sich weiter, daß „uch die Besonderheiten der
rechtlichen Bestimmung dessen, was für den Gewaltunterworfenen
5 Vgl. oben Bd. 18 9, Il; hier 845, 1; 850, In. l.
® Preuß, Amtsr. S. 306: Zuständigkeiten der Staatsaufsicht „nur durch be-
sondere Rechtstitel begründet“. Gierke, Gen.Theorie S. 652: Die Aufsicht „kann
im Sinne des Rechtsstaates nur auf der Basis und in den Grenzen fester Rechts-
normen gehandhabt werden, welche die Gesetzgebung zu schaffen und die Recht-
sprechung zu schirmen hat“. Blodig, Selbstverwaltung S. 48: „Es entspricht
der Freiheit der Selbstverwaltung und dem Wesen der staatlichen Aufsicht, daß
die Grenzen derselben gesetzlich festgestellt werden“. — Feste Rechtsgrenzen ist
das Wesentliche; diese Rechtsgrenzen können aber auch bestehen, wenn die Rechts-