Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

718 Die rechtsfähigen Verwaltungen. 
Je nach der Art der Verletzung bewegt sich der Ausspruch 
in zweierlei Richtung ’®: 
— Die Verletzung kann darin bestehen, daß im Namen des 
Verwaltungskörpers ein Beschluß gefaßt worden ist, der das für ihn 
geltende Recht der Sache nach oder durch Nichtachtung der vor- 
geschriebenen Formen verletzt oder auch einen rechtswidrigen Ein- 
griff bedeutet in fremde Rechte und Zuständigkeiten ’. 
Der namens der Staatsaufsicht alsdann zu erlassende Rechts- 
spruch geht auf Ungültigerklärung und Aufhebung dieses 
Beschlusses. 
— Die Verletzung kann andererseits auch darin bestehen, daß 
eine Aufgabe oder Verbindlichkeit, die dem Verwaltungskörper 
rechtmäßig obliegt, nicht oder nur ungenügend erfüllt wird. 
In diesem Falle wird die Aufsichtsbehörde berufen sein, die Ver- 
pflichtung festzustellen durch eine Pflichtigerklärung, damit 
der Verwaltungskörper angehalten werde, sie zu erfüllen®". 
In beiden Fällen ist der Rechtsspruch dem Inhalte nach einem 
gerichtlichen Urteil verwandt, je nachdem einem Urteil auf Ungültig- 
keit eines Rechtsgeschäftes oder einem Urteil auf Leistung. Besser 
gesagt: er bedeutet einen Rechtsprechungsakt, eine Entscheidung 
dieses Inhalts. Denn ein wirkliches Urteil ist er insofern nicht, 
als er nicht in Form der Verwaltungsrechtspflege ergeht ?". 
Mitglieder verdrängt sind. Das Recht der Aktiengesellschaft gibt ein Beispiel. 
Für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die Verwaltungskörpen, 
bleibt naturgemäß auch dieses Stück der Aufsicht in den Händen der Verwaltung; 
diese Sachen eignen sich ja auch zu einer Nachprüfung durch Verwaltungsgerichte; 
aber der „ordentliche Rechtsweg“ wäre hier nicht am Platze. 
" Gierke, Gen.Theorie S. 658, hat diese beiden Fälle im Auge, wenn er 
sagt: „Je nachdem so (durch Eingreifen im Einzelfall) ein negatives oder ein 
positives Verhalten erzielt werden soll, wird sich die Aufsicht durch Verbote 
oder Gebote äußern“. Das ist aber nur ein sehr äußerlicher Vergleich: von 
Befehlen an den Verwaltungskörper und’ Erzeugung einer Gehorsamspflicht ist 
hier nicht die Rede. 
19 Dem entsprechen die Ziff. 1, 2 u. 3 des Art. 157 der Bayr. Gem.O. 
®° Von dem damit zusammenhängenden Rechtsinstitut der Zwangseinschreibung 
hier unten n. 8. 
*! Vgl. oben Bd. 1S. 134. — Seydel, Bayr. St.R. I S. 23: „Sachlich 
haben jedoch die Aufsichtsbeschlüsse für die Gemeinden die Natur rechtlicher 
Entscheidungen und sind daher der Rechtskraft fähig“. Nach Bayr. V.G.H.Ges. 
v. 8. Aug. 1878 Art. 10 Ziff, 2 werden Beschwerden der Gemeinden gegen staal8- 
aufsichtsrechtliche Verfügungen zu den Verwaltungsstreitsachen zweiter Ordnung 
gezählt, sofern sie in letzter Instanz durch den Verwaltungsgerichtshof in Form 
der Verwaltungsrechtspflege zu bescheiden sind; erst hier bekommt also der Aus- 
spruch die Natur eines Urteils, In den unteren Instanzen kann von Rechtskraft
	        
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