$ 61. Recht der Staatsaufsicht. 719
An dem Verhalten des Verwaltungskörpers, das Gegenstand
eines solchen Ausspruches wird, können Dritte beteiligt sein,
andere Verwaltungskörper oder Einzelne, in deren Rechte ein-
gegriffen wird oder in deren Vorteil es liegt, daß die vernach-
lässigte Pflicht erfüllt werde. Dann ist die Aufsichtsbehörde in
der Lage, ihnen durch die Geltendmachung dieses Stückes der
Staatsaufsicht zu Hilfe zu kommen. Sie können versuchen, sie
dazu in Bewegung zu setzen, indem sie ihr eine Beschwerde vor-
legen. Die Behörde wird sich, obne so angerufen zu sein, auf die
Sache nur dann einlassen, wenn das Öffentliche Wohl für sich allein
schon ein Einschreiten notwendig erscheinen läßt 2%,
Gegen die dem Verwaltungskörper vorzuwerfende Rechtswidrig-
keit kann dem Verletzten nach gesetzlicher Vorschrift ein Rechts-
weg eröffnet sein, förmliche Beschwerde oder Klage. Das: hindert
nicht, daneben auch die Aufsichtsbehörde anzurufen, die ja auch
hier wenigstens einen vorläufigen Schutz gewähren kann. Nur wo
eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit gegeben wäre, ist das
ausgeschlossen; sie darf der Justiz nicht vorgreifen ®®.
nur die Rede sein in dem Sinne von Unanfechtbarkeit wegen Ablauf der Beschwerde-
frist; Dyroff, V.R.Pfl.Ges. zu Art. 10 Ziff. 2 Anm. 2. Vgl. auch oben Bd. I
S. 167 ff.
232 Vgl. oben Bd. I S. 127 ff. Bayr. Gem.Ord. Art. 157 Abs. 4: „Beschlüsse,
welche nur eine Benachteiligung Einzelner enthalten, können lediglich auf recht-
zeitig erhobene Beschwerde außer Wirksamkeit gesetzt oder abgeändert werden“.
Luthardt, in Bl. f. adm. Pr. XXI S. 294 u. 299 ff, XXI S. 164 ff.; Seydel,
Bayr. St.R. II S. 23; Kahr, Gem.Ord. II S.42ff. Man kann sagen: jede Gesetz-
widrigkeit der Gemeinde enthalte als solche auch eine „Benachteiligung des
Gemeinwohles“. Aber dieser mehr ideale Gesichtspunkt soll eben hier nicht
genügen, um sich mit „Offizisleinschreitung“ der Sache anzunehmen, wenn der
allein unmittelbar Betroffene schweigt. — Ähnlich für die andere Art von auf-
sichtsrechtlichem Rechtsspruch, die Pflichtigerklärung, O.V.G. 18. März 1904
(Entsch. XLV S. 146): „Zur Feststellung einer Leistung, welche eine Gemeinde
nach der Ansicht der Aufsichtsbehörde einem Dritten schuldet, ist die Aufsichts-
behörde befugt, wenn das öffentliche Interesse an der Feststellung und recht-
zeitigen Erfüllung der Verpflichtung beteiligt ist“. Vgl. auch O.V.G. 3. Febr. 1886
(Entsch. XIII S. 57).
28 80 Bayr. Gem.Ord. Art. 157 Abs. 1 Ziff. 3: Die Staatsaufsicht erstreckt
sich darauf... „daß die den Gemeinden gesetzlich (d. h. rechtmäßig) obliegenden
öffentlichen Verptlichtungen erfüllt werden“. Kahr, Gem.Ord. II S. 36. —
Für Preußen Oertel, Städte-Ord. S. 628. Er gibt den zwiefachen Gesichtspunkt,
unter den die Frage fällt, treffend wieder: „Wenn auch die Befugnis der Aufsichts-
behörde nicht zu bezweifeln ist, darüber zu wachen, daß die Gemeinde die von
ihr übernommenen Verpflichtungen erfülle, so liegt es doch nicht in ihrem Berufe,
über die Rechtsgültigkeit solcher privatrechtlichen Verpflichtungen, soweit sie be-
stritten sind, auch nur interimistisch zu entscheiden“.