122 Die rechtsfähigen Verwaltungen.
immer um besondere Gründe handeln, welche die Ausnahme recht-
fertigen; ob das zutrifft, soll aber der Beaufsichtigte nicht allein
entscheiden, sondern nur unter Mitwirkung der staatlichen Behörde,
Diese letztere ist andererseits auch nicht befugt, für sich allein die
Durchbrechung der Vorschrift geradezu anzuordnen; dem Ver-
waltungskörper steht immer frei, ob er von der eröffneten Möglich-
keit Gebrauch machen will oder nicht. Vor allem aber ist eine
solche Entbindung nur soweit zulässig, als das Gesetz der staat-
lichen Behörde dafür eine Ermächtigung erteilt hat. Denn grund-
sätzlich ist dieses den Verwaltungskörper bindende Gesetz auch für
sie undurchbrechbar ®2,
ö. Am weitesten geht die Macht des Aufsichtgrechts, wenn die
staatliche Behörde nicht auf den Verwaltungskörper wirken
soll und nicht mit ihm, sondern geradezu an seiner Stelle.
In dieser Weise greift der Staat für Ausnahmefälle in die
Verfassung des Verwaltungskörpers ein, wenn er ihm kraft
Aufsichtsrechts Vertretungsbeamte ernennt oder vorübergehende
Verweser, Kommissarien #8.
Aber auch im ordentlichen Gang der Verwaltung kann er
einzelne Geschäfte des beaufsichtigten Körpers selbst In
die Hand nehmen, um sie für diesen und in dessen Namen zu
erledigen. Die berufene Vertreterschaft hat das zu dulden und
als rechtsgültig anzuerkennen und, soweit an ihr liegt, zu voll-
ziehen. Es hat die Natur einer Zwangsmaßregel, durch
welche das Aufsichtsrecht sich durchsetzt. Voraussetzung ist also,
daß die Zwangsanwendung rechtlich begründet war, eine dem Ver-
waltungskörper obliegende, aufsichtsrechtlich zu erzwingende Pflicht
besteht, deren Erfüllung versagt wird. Wo das der Fall ist, kann
solch stellvertretendes Handeln als ein selbstverständliches ZwangS-
mittel angesehen werden. In diesem Sinne ist die Aufsichtsbehörde
namentlich auch in der Lage, Verträge für den Verwaltungskörper
?2 Das bloße Nichteinschreiten gegen den Verwaltungskörper, der eine gesetz-
liche Vorschrift nicht beobachtet hat, kann noch in das aufsichtsrechtliche Er-
messen gestellt bleiben (vgl. oben Note 22); es ändert eben auch nichts an der
Rechtslage. Die Entbindung aber macht die geschehene Nichtbeachtung des Ge
setzes rechtmäßig; das bedarf der gesetzlichen Grundlage. — Sehr umfassend die
Ermächtigungen der Aufsichtsbehörde in Sächs. Rev. Städte-Ord. $ 136 und Rer-
Landgem.Ord. $ 98, wonach von jeder Bestimmung des ganzen Gesetzes entbunden
werden kann.
” Vgl. oben $ 59 S, 681.