$ 35. Das öffentliche Eigentum; Begriff und Umfang. 87
2. Die eigentlich herrschende Auffassung der Öffentlichen Sache
ist heute noch bestimmt von der alten Fiskuslehre. Diese
selbst zwar will man im allgemeinen nicht mehr gelten lassen.
Aber die Funken glühen unter der Asche — das geht bei großen
Anschauungswechseln immer so — und gerade über den öffentlichen
Sachen flackert noch, ziemlich einsam, eine stetige Flamme. Das
hat hier auch seinen besonderen Grund. Die alten „gemischten
Rechtsinstitute“ haben sich sonst mit dem Verschwinden der Fiskus-
lehre zumeist aufgelöst und sind rein Öffentlichrechtlich geworden
(Bd. I-S. 120). Wenn man dazwischen wohl noch fortfährt, einzelne
Seiten oder Wirkungen des Instituts als privatrechtlich zu be-
handeln, so läufi das auf einen unschädlichen Kampf um den
Namen hinaus. Der Gegensatz von öffentlichem Recht und bürger-
liehem Recht wird hier nicht empfunden ®?,
Bei der öffentlichen Sache aber läßt sich der Gegensatz nicht
vertuschen. Wird hier privatrechtliches und den Regeln des B.G.B.
unterworfenes Eigentum des Staates gesetzt, so bedeutet dies eine
scharfe Absage an das öffentliche Recht. Und andererseits übt
doch der nämliche Staat an dieser seiner Sache unverkennbar zu-
gleich hoheitliche Gewalt, hält sie in öffentlicher Verwaltung und
in Öffentlichrechtlichem „Polizeibesitz“ ; davon ist ebensowenig etwas
wegzunehmen. Daraus ergibt sich aber die glatte Unmöglichkeit,
das Widersprechende hier zusammenzuwerfen: dasselbe Rechts-
subjekt Staat kann nicht über dieselbe Sache zugleich als privat-
rechtlicher Eigentümer und als öffentlichrechtlicher Verwalter ge-
setzt sein. Er spaltet sich nicht im gleichen Atem in Herrscher
und Untertan. Das öffentliche Eigentum allein löst das Dilemma,
indem es das Eigentum mit dem öffentlichen Rechte versöhnt. Die
Fiskuslehre mit ihrer Spaltung des Staates in zwei Personen löste
stehen“. Bedeutsamer wäre $ 23: „Die Gewässer (auch die öffentlichen) unter-
liegen den für Grundstücke geltenden Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen
Rechts, soweit nicht dieses Gesetz ein Anderes bestimmt.“ Allein nach 85 kann
über das dem Staate an öffentlichen (schiffbaren) und der Gemeinde an sonstigen
natürlichen Wasserläufen zustehende Recht „im Wege privatrechtlichen Rechts-
geschäftes“ nicht verfügt werden. Und nach $ 15 dürfen öffentliche Gewässer nur
kraft Gemeingebrauchs oder kraft Verleihung oder Genehmigung benutzt werden.
Das scheint mir öffentliches Eigentum zu sein. Vgl. hier unten 55 37—839.
*® Das wird namentlich der Fall sein bei öffentlichrechtlichen Geldansprüchen:
Gehalt, Enteignungsentschädigung. Man kommt hier zur Not auch mit privat-
rechtlicher Auffassung durch; es fehlt nur der rechte Sinn des Ganzen und das
tiefere Verständnis der Zusammenhänge. Dieser Mangel wird aber nicht von jedem
schmerzlich empfunden.